Die Sherbrooke Braut
entspannte sich. Ihm war gar nicht bewußt, wie verkrampft er gewesen war, mit welcher Angst er ihre Antwort erwartet hatte.
»Sie sehen ganz anders aus, wenn Sie lächeln.«
»Ich vermute, Sie haben mich nicht oft in guter Laune gesehen.«
»Nein. Und ich vermute, Sie haben mich auch nicht oft in ausgeglichener Stimmung gesehen.«
»Nein.«
Dann sprudelte es aus ihr heraus: »Was haben Sie vor?«
Er neigte den Kopf zur Seite. »Was meinen Sie? Wollen wir ausreiten? Da Sinjun da ist, müssen Sie sie fragen, ob Sie auf Fanny reiten dürfen. Ich werde Ihnen ein anderes Pferd kaufen. Vielleicht können Sie mich begleiten. Auf Branderleigh Farm gibt es ein Gestüt, das Stuten mit erstklassigem Stammbaum verkauft.«
»Nein. Was haben Sie jetzt mit dieser Juliette vor?«
»Aha, der Diamant zweiter Wahl.«
»Ja! Der kürzlich zu Ihrer Überprüfung importiert wurde. Ich ertrage es einfach nicht, Douglas!« Alexandra sprang auf und begann hin- und herzugehen. »Ich ertrage es einfach nicht mehr, verglichen zu werden. Diese Juliette - meine Güte, sie trägt den Namen nach einem Shakespeare-Stück! - wird hier ankommen, und alle Ihre Verwandten werden von Melissande auf sie und dann auf mich schauen und ihr Mißbehagen über das, was vorgefallen ist, deutlich zur Schau tragen. Sie werden ihr Mißbehagen in Worte fassen. Ich ertrage es ganz einfach nicht, Douglas.«
»In der Tat, es wäre für uns beide nicht angenehm. Lassen Sie mich überlegen. Jetzt, wo ich weiß, daß Sie nicht mehr durchbrennen werden, kann ich mich ja darauf konzentrieren, dieses Problem zu lösen. Einverstanden?«
Sie nickte, ohne ein Wort zu sagen.
»Sie werden doch nicht wieder ausbüxen, oder?«
»Nein. Ich bezweifle nämlich, ob ich Ihre Schwester überlisten könnte.«
»Überlassen Sie mir als Pfand Ihre dreißig Pfund?«
»Nein, niemals.«
»Also haben Sie kein Vertrauen zu mir. Nun gut, mir scheint, ich muß Ihnen als erster Vertrauen schenken. Haben Sie noch Hunger? Sie haben nicht sehr viel gegessen. Oder wollen Sie sich lieber hinlegen und ausruhen? Ich versichere Ihnen, es wird Sie keiner stören.«
»Ja«, erwiderte sie mit unüberhörbar erschöpfter Stimme. »Ja, das wäre schön.«
Er sah sie lange an, sagte jedoch kein Wort.
Kapitel 14
Es war elf Uhr nachts. Alexandra saß, abgestützt von drei dicken Kissen, im Bett und starrte in die sterbende Glut des Kaminfeuers. Das Zimmer lag im Dunkeln, die einzige Lichtquelle war ein fünfarmiger Kerzenständer zu ihrer Rechten.
Würde er heute nacht zu ihr kommen?
Das Buch von Molieres Schauspiel Der Misanthrop lag mit dem Gesicht nach unten auf ihrem Schoß. Eben hatte sie die Zeile >Frauen wie ich, sind Euresgleichen nicht würdig< gelesen, die ihr jetzt ständig durch den Kopf ging. Armer Douglas, nicht nur der erste hochkarätige Diamant war ihm verlustig gegangen, sondern auch der zweite. Sie fragte sich, zu welchem Edelstein sie sich rechnen würde. Vielleicht zu einem Topas, ja, einem Topas, einem Halbedelstein, nicht so kostbar, doch hübsch anzusehen. Ein solider Stein, gediegen und bewährt. Sie nahm das Buch in die Hand, um sich zum Weiterlesen zu zwingen.
Würde er heute nacht zu ihr kommen?
Ein Schatten fiel über die weiße Buchseite. Sie zuckte zusammen. Douglas stand in einem tiefblauen Morgenmantel aus dickem Brokat und mit Goldfäden durchwirkt dicht an ihrem Bett. Er war barfuß. Sie sah an ihm hoch, blickte ihm in die nachtdunklen Augen und sagte: »Was macht Ihr hier?«
Er lächelte zu ihr herab und nahm ihr das Buch aus der Hand. »Ah, Der Misanthrop. Leider auf englisch. Lesen Sie nicht französisch? Auf französisch ist es weitaus amüsanter, wissen Sie das?«
»Vielleicht«, antwortete sie, »aber ich kenne das Stück gut, und ich mag es besonders gerne, auch auf englisch.«
Er blätterte durch mehrere Seiten und las dann laut: »>Nichts als Intrigen zählen in unserer Zeit... Wie denken Sie darüber, Alexandra?«
Ach ja, ihre Intrige. Tonys Intrige. Niemals würde Douglas davon ablassen. Mit dumpfer Stimme erwiderte sie: »Ich finde es nicht gerade freundlich von Ihnen, ausgerechnet diese Pas-sage auszusuchen, wo man doch so viele andere hätte aussuchen können.«
»Ich dachte da eigentlich an meine Schwester und an ihre Winkelzüge. Ich höre sie noch einmal wegen der riesigen, haarigen Ratte aufkreischen, die angeblich an Ihrem Rock hochgekrabbelt ist. Ich sehe sie vor mir, wie sie Sie lachend am Boden niederhält. Übrigens habe ich
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