Die Shopping-Prinzessinnen
Fashion Week erfolgt ist.
»Von den mageren Gagen in unserer Branche können wir nicht länger leben«, erklärte die Gewerkschaftsvorsitzende, das ehemalige Supermodel Rachelle
Desjardins. »Es ist eine Schande! Die Mädchen müssen jeden Tag auf den Laufsteg. Umziehen, posieren und Kleider vorführen – das ist harte Arbeit!«
Der Zeitpunkt des Streiks ist strategisch geschickt. Die ganze Stadt ist voller Besucher und Kunden aus aller Welt, die erfahren wollen, was sich die Modeschöpfer Frankreichs in diesem Jahr ausgedacht haben. Stattdessen haben einige große Häuser die geplanten Modenschauen und Partys schon abgesagt.
»Das ist ein Skandal«, erklärte Madame Delaforge, eine der prominentesten Pariser Gesellschaftsdamen. »Mein soziales Leben ist ruiniert.«
Derzeit sind keine offiziellen Gespräche geplant, doch Gewerkschaftssprecher und Vertreter der Modehäuser haben versichert, dass beide Seiten gesprächsbereit seien und dringend nach einem Ausweg aus der verfahrenen Situation gesucht würde. Wie aus zuverlässiger Quelle verlautet ist der Konflikt aber keineswegs leicht zu lösen. »Wir sind am toten Punkt angekommen«, erklärte ein Kenner der Szene. »Es geht um tiefgreifende philosophische Fragen, und es steht viel auf dem Spiel. Rasche Lösungen wird es nicht geben.«
O bwohl ich mehrfach das Bedürfnis hatte zu schreien, gelang es mir, den ganzen Artikel über mich ergehen zu lassen, ohne mich zu erbrechen oder wieder in Ohnmacht zu fallen. Ich meine, was bildeten diese Models sich ein? War ihnen meine Karriere denn völlig egal? Was sollte ich denn
jetzt machen? Ohne die Modewoche konnte ich keine schicken Trendsetter fotografieren. Sie würden schneller aus der Stadt flüchten als jede A-Listen-Prominente von einem Grillfest der Knights of Columbus. Und wenn es nichts zu berichten gab, brauchte Hautelaw auch keine Pariser Korrespondentin. Und das betraf moi.
»Sollen sie doch Kuchen essen!«, rief ich in meiner Verzweiflung.
»Pst! Du weißt doch, was mit der letzten Mode-Ikone passiert ist, die so was gesagt hat!«
»He, ich weiß gar nicht, worüber du dich so aufregst«, meinte Leslie. »Diese Fashion Week ist doch nur ein Vorwand für einen Haufen halbverhungerter Weiber, in teuren Klamotten auf dem Laufsteg herumzuturnen. Alles Oberfläche und keine Substanz.«
»Na und?«, fauchte Evie. »Was genau wollen Sie damit sagen?«
»Ach, nichts.« Er zuckte die Achseln. »Ich wollte bloß unsere Imogene ein bisschen trösten.«
»Na, toll! Haben Sie noch nie gehört, dass manche Wahrheiten höchst unpassend sein können?«
»Nun, meine Damen«, sagte Georges plötzlich. »Ich muss mich jetzt von Ihnen verabschieden.« Sein Ton klang irgendwie endgültig.
»Was haben Sie vor? Wollen Sie uns etwa verlassen?«
» Oui. Ich werde meinen Jahresurlaub antreten.«
»Und wann fahren Sie?«
»Freitagvormittag«, meinte er.
Mein Handy fing an zu klingeln. Ich sah Evie an, und Evie sah mich an. Sie lächelte hilflos. Wir wussten genau, wer da anrief – und warum. Evie kreuzte die Finger, ich sprach ein stummes Gebet: Lieber Gott, bitte mach, dass mich Spring in Paris bleiben lässt. Ich weiß, ich bin nicht immer brav gewesen. Es tut mir auch sehr leid, dass ich mich immer vorgedrängelt habe bei Barneys-Sonderverkäufen und dass ich unter der Zeltplane durchgekrochen bin bei der Jock-Show, statt mir eine Eintrittskarte zu kaufen. Ich habe auch nicht gewollt, dass Brooke gefeuert wird, als sie meine Fotos gestohlen und an Haute & About verkauft hat. Es tut mir auch schrecklich leid, dass ich der Hermès-Verkäuferin nichts gesagt habe, als sie mir versehentlich 20 Euro zu wenig abverlangt hat. Bittebitte, ich will’s auch wirklich nicht wieder tun.
Ich meine, gerade jetzt, wo ich mich zu amüsieren anfing und die Paolo-Löcher ein bisschen seltener wurden, wäre es ganz unmöglich gewesen, Paris und meine beste Freundin und vielleicht sogar Dax zu verlassen. Ich versuchte tapfer zu sein, aber innerlich war ich fix und fertig. Nicht ganz unerwartet trat mir eine erste Träne in die Augen. Schließlich hatten mich alle beobachtet und auf einen Nervenzusammenbruch oder so was gewartet.
Ich fasste mir ein Herz und sprang auf. Tapfer drückte ich auf die Sprechtaste. Nach stummer Überprüfung sämtlicher Möglichkeiten in meinem Kopf hatte ich mich für falsche Heiterkeit entschieden.
»Hi, Spring!«
»Imogene, ich …«
Auf keinen Fall wollte ich sie zu Wort kommen lassen. Als ob
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