Die Shopping-Prinzessinnen
Champs-Élysées. Hier musste ich Schlange stehen, bis endlich eine Verkäuferin frei war. Und dann stellte sich heraus, dass die japanischen Touristen sowieso alles aufgekauft hatten. Der Laden war praktisch leer.
Also trabte ich wieder zurück zu Colette.
» Parlez vous Erin Fetherston?«, fragte ich die Verkäuferin. Sie reichte mir ein absolut zauberhaftes Kleid. Hmmm, hinreißend! Wenn ich mich recht entsinne, war es Nummer 137 aus dem Sommerkatalog. (Ich habe ein fotografisches Gedächtnis, was Mode angeht. Ich bin eine absolute Expertin.)
Das Kleid gefiel mir auf Anhieb. Es passte so hundertprozentig zu mir! Das merkte ich gleich, denn als ich es überstreifte, spürte ich den berühmten Ruck. Es machte regelrecht ping! Ich spürte schon die ersten Glückshormone im Bauch, als die Verkäuferin sagte: »Schade, für Sie ist das leider ein bisschen zu klein!« TROP-PE-TIT-POUR-TOI!
Es war nicht zu fassen! Sollten sie sich ihre Kleider,
ihr Parfum und ihre Taschen doch in die Haare schmieren! Behaltet euren Stinkerkäse und euer vergammeltes Essen!, kreischte ich innerlich.
So schnell die Füße mich trugen, rannte ich aus dem Laden. Von wegen Ausnahme-Shop, Trend-Boutique, Modetempel!
Die konnten mich alle mal gernhaben! Ich war total sauer auf die Models, auf Paris und die ganze übrige Welt. Hyperventilierend lehnte ich mich an einen Baum. Gauloise-Geruch wehte mir um die Nase, während ich den unverwechselbaren Dunst meines eigenen Elends und bevorstehenden Untergangs einsog.
Dann traf mich ein Lichtstrahl der Rettung. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckte ich einen Zeitungskiosk, der mir wie ein Leuchtturm in einem Meer der Verwirrung erschien. Ohne Rücksicht auf den mörderischen Verkehr sprang ich auf die Fahrbahn und wurde nur durch Zufall von keinem Auto, Motorroller oder Buggy erlegt. Ich würde mich in das stille Heiligtum einer Vogue retten! Ganz egal, welche Ausgabe! Französisch, Amerikanisch, Italienisch, Deutsch oder Englisch … ich hätte alles genommen. Sogar die australische Ausgabe wäre mir recht gewesen (schließlich war es ein Notfall!). Ich
würde sie alle in Ruhe studieren, und mein größtes Problem wäre nur, ob der schnuckelige Chinchilla-Badeanzug von Marni auf Seite 307, der mir auf Anhieb gefiel, nicht womöglich bei einem It-Girl des Tages auftauchen und ausverkauft sein würde, ehe ich ihn mir irgendwo schnappen konnte.
Aber noch ehe ich den Kiosk erreicht hatte, sah ich überall kreischende Schlagzeilen über die Fashion-Week-Katastrophe. Erneut befiel mich Panik! Ich drehte mich um und flüchtete in einen kleinen Park, wo ich mich wieder auf eine Bank setzte, um nachzudenken. Dabei war längst völlig klar, dass ich keine Optionen mehr hatte. Morgen musste ich in den sauren Apfel beißen, Spring meine Niederlage gestehen und anfangen, Koffer zu packen.
»Wo bist du, mein guter Stern?«, flüsterte ich erschöpft. Eine ganze hässliche Woche lang war ich jetzt durch die Pariser Straßen geirrt. Ich überlegte, ob ich schnell noch beim HLP-Hausboot vorbeischauen sollte, aber ich dachte mir: Dax hat schon genug mit dem Renovieren zu tun.
Also hievte ich meine schwarz-weiß gestreifte Petit-Bateau-Person, meine schwarze Brigitte-Bardot-Baskenmütze und meine lädierte Psyche von der Bank, um mich zu Hause ordentlich auszuweinen. Kurz bevor ich die Haustür erreichte, begann es wie aus Eimern zu regnen, und ich wurde patschnass.
Kapitel 6
Alles über Yves
Datum: 7. Juli
Stimmung: Ich fühle mich wie Morticia Addams
E vie buchte den Tisch ihrer Eltern im Cour Jardin, dem Innenhof des Plaza Athénée, für das Halbfinale unseres Au revoir. Wie ganz Paris war das Café praktisch leer. Abgesehen von den üblichen Stammgästen, die alle perfekt manikürt und elegant frisiert waren und ihre Juwelen sowie ihre bis ins letzte Detail durchgestylten Hündchen zur Schau stellten.
Normalerweise wäre es ein Vergnügen gewesen, hier im Freien unter den großen roten Sonnenschirmen zu sitzen, umgeben von efeubewachsenen Mauern, in denen fröhliche Spatzen herumzwitscherten, während im Hintergrund leise Springbrunnen plätscherten. Aber in meinen Ohren klang das alles ganz anders. Das rasende Tschilpen der Spatzen und das ständige Tropfen des Wassers hallten laut in dem leeren Gemäuer, so dass der Innenhof
wie eine Irrenanstalt für geistesgestörte Vögel wirkte und nicht wie ein schickes Restaurant.
Evie merkte davon überhaupt nichts. Sie war völlig in
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