Die Shopping-Prinzessinnen
sie!«, schrie jemand vor dem Fenster. »Da sitzt diese Hautelaw! « Ich duckte mich und zog meinen zur Jahreszeit wenig passenden Vuitton-Topfhut noch etwas tiefer herunter.
Ich war mit Evie verabredet. Nach dem Fernsehzirkus in der Avenue Montaigne hatte sie die Kleider von Monsieur X in aller Stille in Mercies Wagen verstaut, um sie zurück ins Atelier zu bringen. Die anderen sollten von unserem Model-Bus in ihre Quartiere gebracht werden.
Das Leben als Fashion-Forecasting-Praktikantin hat seine Höhen und Tiefen. Der größte Vorteil: Man wird für etwas bezahlt, was man ohnehin liebt. Der größte Nachteil: Man wird von fanatischen Irren verfolgt (Touristen, Reportern oder den letzten echten Modeliebhabern), die alle glauben, man wüsste, wo der heißeste Couturier der Welt sich versteckt.
Ein Reporter klopfte an die Scheibe, hinter der ich auf Evie wartete. Glücklicherweise bereitete es dem schrecklichen Kellner ein großes Vergnügen, den aufdringlichen Typen und die anderen Neugierigen zu vertreiben.
Ich entdeckte Evie, kaum dass sie durch die Tür war. Als sie sich setzte, erwiderte ich ihr »Hallo!« mit einem finsteren Blick.
»Du redest wohl nie wieder mit mir?«, fragte sie leise.
Ich schüttelte den Kopf und winkte dem Kellner. »Ich weiß wirklich nicht, wie du mich dazu gebracht
hast, dass ich diesen Wahnsinn mitgemacht habe«, stöhnte ich.
Erneut kam es zu einer Störung durch eine Zusammenrottung vor dem Café, und wieder duckte ich mich in den Sitz. »Siehst du? Es ist grauenhaft.«
»Girlie, beruhige dich«, meinte Evie tröstlich, aber bestimmt.
»Nein, ich werde mich nicht beruhigen«, rief ich. »Eine ganze Armee von Satellitenschüsseln berichtet live über die Kollektion eines nicht existierenden Modedesigners, für den ich angeblich verantwortlich sein soll, und du erwartest, dass ich mich beruhige? Die Sache ist völlig außer Kontrolle geraten!«
Ich schlug die Hände vors Gesicht. »Und Spring nimmt Bestellungen auf!«, schluchzte ich. »Nach diesem Musterbuch, das ich ihr geschickt habe!«
»Aber Girlie! Das ist doch großartig!«
»Das ist überhaupt nicht großartig! Das ist gruselig!«
»Okay. Ich weiß, es ist gruselig, doch Mercie und ich haben alles im Griff.«
»Spring macht schon Kosmetik-Deals, verkauft Produktlizenzen, und wahrscheinlich sind Monsieur-X-Puppen und Filmverträge schon um die Ecke.«
»Girlie, hör zu! Keine Panik. Ich habe einen Plan.«
»Du und deine Pläne! Damit hast du mich doch reingerissen in dieses Chaos!«
»Jetzt hör doch mal einen Augenblick zu. Es wird
alles gut. Nur zu deiner Beruhigung: Ich habe zu Hause nachgesehen. Niemand ist da. Es liegen keine dringenden Nachrichten vor, und das Atelier ist fest abgeschlossen. Alles ist so, wie wir’s hinterlassen haben. Zweitens: Ich habe Kontakt zu unserer Fabrik aufgenommen – also der von Crispin Lamour. Die Kleiderfabriken haben alle die Produktion gestoppt wegen des Streiks. Ohne die Modenschauen gibt’s keine Aufträge, und sie verlieren jeden Tag Geld. Ich habe ihnen gesagt, wir hätten vielleicht ein paar Aufträge, und sie waren nicht abgeneigt, mit uns zusammenzuarbeiten.«
»Und wie? Was ist mit den Näherinnen? Den Zuschneiderinnen? Den Einkäufern für die Stoffe?« Ich rutschte unruhig auf meinem Sitz hin und her und duckte mich jedes Mal, wenn draußen auf der Straße jemand vorbeikam.
»Nachdem keine Modenschauen stattgefunden haben, sitzen die Näherinnen auf dem Trockenen. Sie würden allerdings gern arbeiten. Wir haben ein bisschen verhandelt, dann haben sie zugestimmt.«
»Und wer soll das alles bezahlen? Hast du darüber schon mal nachgedacht? Wer soll denn den Stoff kaufen? Und wer soll die Löhne der Näherinnen bezahlen?«
»Na, du!«
»Ich?«
»Ja, du, meine liebste Freundin. Du hast doch genügend Kohle seit diesem Imogenius -Hype!«
Ach, Evie hatte ja keine Ahnung! Woher sollte
sie denn auch wissen, dass die Reklamationen sich häuften und ich bald jede Menge Entschädigung würde zahlen müssen? Mein Konto litt schon jetzt an gefährlicher Schwindsucht.
Datum: 10. Juli
D a Imogenius ohnehin bald abschmieren würde, fragte ich es auch nicht mehr. Ich schlug alle Vorsicht in den Wind und zog mir eine Noname-Jeans und ein hautenges Top an. Immerhin war ich noch nicht völlig durchgeknallt, sondern ergänzte das dubiose Ensemble mit ein paar sehr markanten Plateauschuhen. Von Rechts wegen hätte heute ein »Rosa«-Tag sein sollen. Aber nachdem
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