Die sieben Dämonen: Roman
richtete die Taschenlampe auf die Kante des Deckels und stellte fest, daß sich zwischen dem Deckelrand und der dicken Sarkophagwand ein winziger Spalt aufgetan hatte. »In Ordnung, laß es uns noch mal versuchen. Neunzig Zentimeter dürften ausreichen. Mehr brauchen wir nicht, um zu sehen, was da drin ist.«
Mark litt Höllenqualen, als Ron wieder wegging und seine Taschenlampe mitnahm. Er schwitzte jetzt so stark, daß sein Hemd ihm kalt und naß am Körper klebte. Eine unbeschreibliche Furcht lähmte ihn. Er versuchte, die Schreckensbilder zu verdrängen, die sich in seiner Phantasie zusammenbrauten und ihn zu überwältigen drohten. Er zwang sich mit aller Macht, sich auf die bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren, die – so versuchte er sich einzureden – doch lediglich darin bestand, einen schweren Stein zu verschieben, nichts weiter.
Doch als der Deckel sich erneut unter seinen Händen zu bewegen begann und die dunkle Öffnung immer weiter und bedrohlicher klaffte, packte Mark das kalte Grauen, und er konnte nur mit Mühe einen Schrei unterdrücken.
Das Kratzen des Deckels übertönte das beruhigende, vertraute Motorengeräusch. Es war wie das Knarren eines rostigen Tors, das den Weg zur Hölle freigab.
Während er schob und ächzte, und der Deckel sich zentimeterweise bewegte, liefen Mark dicke Schweißtropfen über die Stirn. Er beugte sich jetzt schon weit über den offenen Sarg; unter ihm gähnte eine dunkle Höhlung. Er kniff die Augen zusammen und stellte sich vor, wie eine riesenhafte Hand plötzlich vorschnellte und ihn packte …
»Wie sieht es aus?«
Mark schrie auf.
»He!« Ron lief um den Sarkophag herum und rüttelte Mark am Arm.
»Ich bin’s doch nur! He, nun komm schon!«
Mark wich von dem Sarg zurück und stützte sich keuchend auf Ron. »Du … hast mich zu Tode erschreckt …«
»Ach was«, Ron legte seinen Arm um Marks Schultern, »du hast dich zu sehr ins Zeug gelegt. Dabei hättest du den Stein nur dirigieren müssen. Der Landrover hat die ganze Arbeit getan. Na los, reiß dich zusammen.«
Mark schöpfte mehrmals tief Luft. Als er schluckte, hatte er einen beißenden, metallischen Geschmack im Rachen. »Geht schon wieder …«
»Bist du sicher?«
»Ja …« Mark hustete und sagte dann mit festerer Stimme: »Es ist wieder alles in Ordnung. Laß uns mal sehen, was wir da haben.«
Die beiden Ägyptologen stellten sich dicht nebeneinander und richteten die Strahlen ihrer Taschenlampen in das schwarze Loch unter dem Sarkophagdeckel. Sie staunten.
Dreiundzwanzig
Eine halbe Stunde später spähten sie auch in den zweiten Sarg.
Ron war zum Landrover zurückgegangen und hatte den ersten Deckel ganz heruntergezogen. Beim Auftreffen auf den Steinboden war er in zwei Hälften zerbrochen. Dann hatten er und Mark den Deckel des zweiten Sarkophags entfernt, der ebenfalls zu Bruch gegangen war. Jetzt konnten sie den Inhalt der Särge vollständig in Augenschein nehmen.
Mark wisperte in verschwörerischem Ton: »Ich habe nie zuvor eine so ausgezeichnete Präparierung gesehen.«
»Sie sind in jeder Hinsicht vollkommen«, pflichtete Ron ihm bei. »Es ist … als hätte man sie eben von der Einbalsamierungsstätte hierhergebracht. Sie weisen überhaupt keine Anzeichen von Verwesung oder Verfall auf!«
Die beiden Ägyptologen standen über den ersten Sarg gebeugt und ließen die Strahlen ihrer Taschenlampen über die Mumie gleiten. Jede Einzelheit der Perfektionsarbeit wurde deutlich sichtbar: die Präzision, mit der der Leichnam gewickelt worden war, das geometrische Muster der Bandagen, das reine Weiß der leinenen Tücher.
Die Sarkophage enthielten zwei kleine Menschen, die beide mit der gleichen Sorgfalt und auf identische Art und Weise gewickelt worden waren. Doch keine Totenmasken bedeckten ihre Gesichter, keine Amulette oder Zaubersprüche waren in die leinenen Verbände eingewoben. Es waren schlichte, ordentlich verschnürte Bündel ohne bestimmte Merkmale, die in Kästen aus kaltem Granit lagen.
»Diese hier ist weiblich«, bemerkte Ron leise. »Sieh dir die Haltung der Arme an.«
Mark hatte es schon bemerkt. Die andere Mumie hatte die Arme über der Brust verschränkt, was darauf hindeutete, daß es sich um den Leichnam eines Königs handelte. Diesem hier, klein und puppenähnlich, hatte man jedoch nur einen Arm über die Brust gelegt und den anderen ausgestreckt, so wie man Königinnen zur letzten Ruhe gebettet hatte.
»Was meinst du, wer ist das?« fragte Ron mit
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