Die sieben Dämonen: Roman
sahen sie einander nicht an.
»Ich rieche Haschisch«, meinte Alexis.
»Es kommt von der Arbeitersiedlung. Sie rauchen es jeden Abend.«
Alexis lachte kurz und bitter auf. »Ich kann die Lebensweise dieser Leute nicht begreifen. Sie erscheint mir so menschenunwürdig und freudlos. Wenn man sich vorstellt, daß sie einem Mädchen die Klitoris wegschneiden! Die Frauen ahnen nicht einmal, was ihnen dadurch entgeht!«
Mark gab keine Antwort. Er grübelte über das arabische Wort dafür nach. Dann fiel es ihm ein: barda. Es bedeutete »kalt, eisig«.
»Dr. Davison?«
»Ja?«
»Sehen Sie mich an.«
Er gehorchte.
Alexis öffnete den Mund, um zu sprechen, hielt aber im letzten Augenblick inne. Ihre feuchten, roten Lippen klafften ein wenig auseinander. Ihre grünen Augen schienen sich zu verschleiern, und ihr Gesichtsausdruck erstarrte. Dieser Zustand dauerte nur ein paar Sekunden, dann verging er wieder, und sie sagte leise: »Erzählen Sie mir wieder über ägyptische Gräber, Dr. Davison.«
»Was wollen Sie wissen?« fragte er verwirrt.
Sie wandte den Blick von ihm ab und starrte ausdruckslos in die Ferne. »Die Ägypter setzten alles daran, um die Körper ihrer Toten zu erhalten. Sie scheuten keine Mühe und wandten die ausgeklügeltsten Listen an, um die Grabstätten vor Entdeckung zu schützen. Warum?«
»Weil die alten Ägypter glaubten, daß es nur dann ein Leben nach dem Tod geben konnte, wenn der Körper unversehrt war. Solange der Körper vollständig erhalten blieb, konnte die Seele das Jenseits genießen, das nach Vorstellung der Ägypter in den Gebirgswüsten des Westens lag. Die Kunst der Einbalsamierung ist niemals wiedererschaffen worden und sucht in der Geschichte ihresgleichen. Bis heute sind uns die Geheimnisse der alten Ägypter, den Leichnam vor Verwesung zu bewahren, nur unvollständig bekannt. Und was das Verstecken der Toten anbelangt, Mrs. Halstead, so geschah dies, um sie vor Grabräubern zu schützen. Damit die Seele ein Leben nach dem Tod führen konnte, mußte der Name des Verstorbenen irgendwo auf seinem Körper geschrieben stehen. Üblicherweise benutzte man dazu goldene Amulette und Armbänder, auf die Grabräuber natürlich besonders erpicht waren. Wenn diese Gegenstände gestohlen und damit vom Leichnam entfernt wurden, hörte die Seele auf zu existieren.«
Alexis holte tief Atem und hielt ihn lange an, bevor sie ihn herausließ und flüsterte: »Ist das der Grund, warum … ist das der Grund, warum …«
Er wartete.
Alexis verfiel in ein leeres Starren, wobei sie weder atmete noch blinzelte.
»Ist das der Grund … wofür, Mrs. Halstead?«
Sie regte sich kaum merklich, sah dann schließlich zu Mark auf und runzelte die Stirn. »Wie bitte?«
Mark betrachtete sie einen Augenblick. »Fühlen Sie sich nicht ganz wohl?«
»Doch, doch … Es ist nur …«
»Nur was?«
Sie schaute auf das Glas in ihrer Hand und schien überrascht, es dort zu sehen. »Ich bin müde, Dr. Davison. Ich hatte letzte Nacht Alpträume und bin mit dem Gefühl aufgewacht, überhaupt nicht geschlafen zu haben.« Sie erhob sich etwas schwankend und nahm die Flasche Glenlivet an sich.
»Entschuldigen Sie, ich werde mich jetzt zurückziehen …«
Mark sah Alexis nach, die über den Sand zu schweben schien. Ihre sonnengebräunten Arme und Beine wirkten im Mondlicht seltsam weiß. Als er den letzten Rest seines Whiskys hinunterstürzte, hörte
er schwere Schritte hinter sich. Kurz darauf stand Ron Farmer vor ihm.
»Was ist los?«
»Ich habe die Schnauze voll!«
»Setz dich und erzähl mir, was passiert ist.«
Ron ließ sich auf die Mauer plumpsen und starrte mit hängenden Schultern vor sich in den Sand. »Was trinkst du da?«
»Whisky. Was gibt’s?«
»Hier, schau dir das an.« Ron warf Mark einen Filmstreifen zu.
»Was ist das?«
»Negative der Aufnahmen, die ich im Königsgrab gemacht habe.«
Mark versuchte, im Mondlicht auf dem Film etwas zu erkennen. »Und?«
»Sie sind verschwommen, verdammt noch mal, allesamt verschwommen.«
»Vielleicht ist Licht in die Kamera eingedrungen.«
»Dann müßten aber auch die anderen Bilder auf dem Film verschwommen sein. Aber das ist nicht der Fall. Die Fotos, die ich machte, bevor wir hineingingen, und die, die ich später draußen aufnahm, sind alle einwandfrei. Nur die im Grab, die, auf denen du zu sehen bist, sind verschwommen.«
»Vielleicht gab es im Grab nicht genügend Licht …«
»Das ist ein Vierhunderter-Film, Mark, und noch dazu in einer
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