Die sieben Dämonen: Roman
würde lieber sterben, als mich an sie heranzulassen. Was kann ich da schon machen?«
»Miss Schukri ist Medizinstudentin. Ich dachte, sie könnte vielleicht helfen.«
Dr. Rahman sah sie flüchtig an und wirkte gleichgültig.
»Diese Bauernhammel verdienen es nicht anders«, meinte er dann.
»Allah!« flüsterte Jasmina.
Dr. Rahman trat von der Hauswand weg und rieb sich müßig den Arm. »Ich spiele hier nicht den Retter. Ich habe meinen Idealismus schon lange verloren. Die Träume, die ich hatte, als ich damals studierte, sind nach einem Jahr im staatlichen Krankenhausbetrieb alle verflogen. Ich bekomme fünfzig Pfund im Monat und muß mich dafür um zweitausend Bauern kümmern, die mir allesamt mißtrauen und mir grollen. Sie sind ungebildet, und ich muß jedesmal mit ihnen kämpfen, wenn ich ihnen helfen will.«
»Sie haben das Recht, Ihnen zu mißtrauen«, meldete sich Jasmina plötzlich zu Wort, was Mark überraschte. »Sie werden sich einen kranken Fellachen doch nicht einmal ansehen, bevor er Ihnen nicht fünf Pfund bezahlt hat. Und wenn seine Familie das Geld nicht aufbringen kann, dann lassen Sie ihn einfach sterben.«
Dr. Rahman zuckte mit den Schultern. »Das habe ich zwar nie getan, aber ich kann es meinen Kollegen, die so handeln, nicht verübeln. Die Regierung lastet uns zu große Bürden auf, ohne uns angemessen zu bezahlen. Warum sollten wir diese Tiere kostenlos behandeln, wo wir doch hart für unsere Ausbildung gearbeitet haben und es verdienen, wie jeder andere bezahlt zu werden? Der Fellache wird sein Getreide nicht verschenken, warum sollte ich ihn dann umsonst behandeln?«
»Wo ist die Frau?« erkundigte sich Mark.
»Ihr Mann wird Sie nicht hereinlassen. Ich kenne diesen Habib und kann Ihnen sagen, was für eine Sorte Mann er ist. Letztes Jahr kam er in meine Klinik, um sich behandeln zu lassen, und ich schickte ihn mit einer Arznei nach Hause. Als ich ihn das nächste Mal sah, litt er noch immer unter denselben Beschwerden. So fragte ich ihn: ›Hast du die Medizin, die ich dir gab, eingenommen?‹ Da erwiderte er: ›Ich konnte nicht, Doktor. Der Löffel ist zu groß. Ich komme damit einfach nicht in die Flasche hinein!‹«
Mark wandte sich an den › Umda . »Laßt Miss Schukri nach der Frau sehen. Vielleicht kann sie helfen.«
»Habib ist mein Neffe«, antwortete der Alte. »Sein Kind wird zu meiner Familie gehören. Ich muß vorsichtig sein.«
»Was wollt Ihr, Hagg ? Tee? Coca-Cola?«
»Was ist das nur für eine verdrehte Welt!« schnaubte Dr. Rahman. »Jetzt sind wir schon so weit, daß der Doktor den Patienten bezahlen muß!«
Doch der › Umda wurde seltsam still; er blickte ganz konzentriert und schien zu überlegen. Schließlich meinte er: »Wir beten zu Allah für Iskanders Mutter.«
In diesem Augenblick erschien eine Gestalt im Eingang, ein grauhaariger Fellache, der abwechselnd die Hände rang und sich Tränen von den Wangen wischte. Er redete so schnell auf den › Umda ein, daß Mark nichts verstehen konnte. Und wieder war er überrascht, als Jasmina das Wort ergriff: »Ich hatte letzte Nacht einen Traum, Hagg , in dem mir ein Engel erschien. Er verkündete mir, daß ich heute einen Sohn bekäme und daß alle Leute im Tal frohlocken würden. Ich habe den Traum als Unsinn abgetan, aber jetzt sehe ich, daß es eine Prophezeiung war. Laßt mich Habibs Frau helfen, Hagg .«
Mark wartete drei Stunden lang vor dem Haus. Viele der Männer von El Till leisteten ihm dabei Gesellschaft. Der Duft von Tee und Haschisch stieg auf, die Luft schwirrte von der beiläufigen Unterhaltung der Fellachen und den ständig wiederkehrenden Schreien der Gebärenden. Mehrmals rannte eine verschleierte Fellachin mit einer Schüssel voll blutiger Flüssigkeit aus dem Haus, um kurz darauf mit frischem Wasser vom Nil zurückzukommen. Während er mit angewinkelten Knien im Schatten der Mauer hockte, hoffte Mark inständig, daß das Martyrium bald ein Ende nähme.
Kurz vor Sonnenuntergang trat Jasmina mit einem schleimigen, schreienden Baby in den Armen aus dem Haus, und die Männer sprangen auf. Sie legte das Kind, das zum Schutz gegen den bösen Blick eine blaue Gebetsschnur um den Hals trug, vor Habib nieder. Dann schlug sie das Tuch zur Seite, um zu zeigen, daß es sich um einen Jungen handelte. Während die Männer schrien und lachten und sich gegenseitig auf die Schulter klopften, kam eine Fellachin mit einem Säckchen in der Hand aus dem Haus, das ein paar Getreidekörner und die
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