Die sieben Finger des Todes
Trelawny aus dem großen Safe herausgeholt hatte.
Es war ein seltsamer Anblick und ein seltsames Erlebnis. Die Gruppe ernster, schweigender Männer trug die reglose Gestalt, die aussah wie eine Elfenbeinfigur, fort von den brennenden Kerzen und den weißen Blumen. Wir legten sie auf die Liege in jenem anderen Raum, wo das grelle elektrische Licht auf den großen Sarkophag fiel, der in der Mitte stand, bereit für das letzte Experiment, das Große Experiment, das die Krönung der jahrelangen Forschungsarbeit dieser zwei weitgereisten Gelehrten darstellte. Und wieder wurde die ganze Situation durch die erschreckende Ähnlichkeit zwischen Margaret und der Mumie noch unheimlicher gemacht. Als schließlich alles fertig war, war auch eine Dreiviertelstunde vergangen, denn wir waren bei allem sehr bedachtsam vorgegangen. Margaret winkte mich zu sich, und gemeinsam gingen wir hinaus und holten Silvio. Schnurrend kam er auf sie zu. Sie hob ihn hoch, um ihn mir zu übergeben. Und dann tat sie etwas, was mich sonderbar berührte und mir deutlich zu Bewußtsein brachte, wie verzweifelt das Unternehmen war, das uns bevorstand. Sie blies die Kerzen sorgsam aus, eine nach der anderen, und stellte sie an ihren gewohnten Platz zurück. Sodann sagte sie zu mir:
»Wir brauchen sie nicht mehr. Was immer auch kommen mag – Leben oder Tod –,es hat keinen Zweck, sie jetzt brennen zu lassen.«
Sie nahm Silvio wieder auf den Arm und drückte das laut schnurrende Tier eng an sich. So gingen wir zurück zu den anderen. Ich schloß die Tür hinter mir und empfand dabei ein erregendes Gefühl der Endgültigkeit. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Wir legten die Atemgeräte an und nahmen unsere Plätze wie besprochen ein. Ich sollte neben der Tür bei den elektrischen Lichtschaltern stehen und sie nach Mr. Trelawnys Anweisung bedienen. Dr. Winchester sollte sich hinter der Liege postieren, damit er nicht zwischen der Mumie und dem Sarkophag zu stehen käme. Seine Aufgabe war es, alle Vorgänge um die Königin genau zu beobachten. Margaret sollte neben ihm stehen. Sie hielt Silvio in den Armen, um ihn, falls sie es für richtig hielt, auf die Liege oder daneben zu setzen. Mr. Trelawny und Mr. Corbeck hatten das Anzünden der Leuchten übernommen. Als die Uhrzeiger knapp vor der vollen Stunde angelangt waren, standen die beiden mit ihren Zündruten bereit.
Der silberne Glockenschlag der Uhr erklang in unseren Herzen wie ein Schicksalsgeläut. Eins! Zwei! Drei!
Noch vor dem dritten Schlag hatten die Dochte der Leuchten Feuer gefangen, und ich hatte das elektrische Licht abgeschaltet. Die Leuchtenflämmchen kämpften noch um Kraft, so daß der Raum nach dem Erlöschen des hellen elektrischen Lichtes unheimliche Formen annahm und sich ständig zu verändern schien. Mit Herzklopfen warteten wir ab. Ich spürte mein Herz heftig pochen und bildete mir ein, den Herzschlag der anderen zu hören.
Die Sekunden zogen mit bleiernen Schwingen vorüber. Es war, als stünde die ganze Welt still. Die Gestalten der anderen waren undeutlich auszumachen, allein Margarets weißes Kleid hob sich deutlich ab. Die plumpen Atemgeräte, die wir trugen, ließen uns alle noch merkwürdiger erscheinen. Das schwache Licht der Leuchten fiel auf Mr. Trelawnys eckiges Kinn, seinen festen Mund und auf das braune, glattrasierte Antlitz Mr. Corbecks. Die Augen schimmerten unter dem Einfall des Lichtes. Auf der entgegengesetzten Seite des Raumes funkelten Dr. Winchesters Augen wie Sterne, während Margarets Augen wie schwarze Sonnen glühten. Silvios Augen hingegen waren Smaragde.
Ja, wollten denn diese Lampen nie mit voller Kraft brennen!
Doch dauerte es nur wenige Sekunden, ehe sie hell aufflammten.
Es war ein ruhiges, stetiges Licht, immer heller werdend und sich in der Farbe von Blau zu Kristallweiß verändernd. So blieben sie eine ganze Weile, ohne daß sich bei dem truhenartigen Behälter etwas verändert hätte. Dann aber zeigte sich ein zarter Schein um den Behälter, der immer stärker wurde, bis das Ding aussah wie ein glühendes Juwel und dann wie etwas Belebtes, dessen Lebensgrundlage Licht war. Wir warteten, während unsere Herzen stillzustehen drohten.
Plötzlich hörten wir ein Geräusch ähnlich einer kleinen gedämpften Explosion, und der Deckel hob sich um ein paar Zoll. Ein Irrtum war ausgeschlossen, da der ganze Raum in blendendes Licht getaucht war. Sodann fing der Deckel an sich nach einer Seite zu neigen, als gäbe er einem Druck nach. Der Behälter
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