Die sieben Finger des Todes
einer Starre. Margaret stand noch immer hinter der Liege. Mir schien, als befände auch sie sich in einem Zustand der Benommenheit. Doch mit jedem Augenblick gewann sie die Herrschaft mehr über sich zurück. Sie trat vor und half mir, ihren Vater hochzuheben und ans Fenster zu schleppen. Gemeinsam schafften wir es, die anderen ebenfalls in Fensternähe zu tragen. Margaret lief ins Speisezimmer, um mit einer Brandy-Karaffe wiederzukommen. Der Reihe nach bekamen nun alle etwas Brandy eingeflößt. Wenige Minuten, nachdem ich die Fenster aufgerissen hatte, ging es den dreien schon merklich besser. Die ganze Zeit über hatte mein Bestreben ihrer Wiederherstellung gegolten. Jetzt aber, da sie auf dem besten Wege waren, das Bewußtsein wiederzuerlangen, konnte ich mich im Raum nach den Wirkungen des Experiments umsehen. Der dichte Qualm hatte sich indessen verzogen. Im Raum zurückgeblieben waren eine Dunstschicht und der sonderbare beißende Geruch.
Der große Sarkophag war unverändert. Der truhenähnliche Behälter war offen. In seinem Inneren befand sich, durch Trennwände aus demselben Material unterteilt, schwarze Asche wild verstreut. Alles im Raum, Sarkophag und Behälter mit eingeschlossen, war mit einer Art schmierigen Rußschicht bedeckt. Ich trat an die Liege. Das weiße Laken lag verschoben darauf, es war zurückgeschlagen, als wäre jemand aufgestanden.
Von Königin Tera keine Spur! Ich nahm Margaret an der Hand und führte sie hin. Sie ließ nur zögernd ihren Vater allein, dessen sie sich rührend angenommen hatte. Leise flüsterte ich ihr zu:
»Was ist aus der Königin geworden! Sag es mir! Du standest ganz in der Nähe und mußt gesehen haben, was passierte!«
Sie gab leise zurück:
»Ich konnte nichts sehen. Ich hielt den Blick unverwandt auf die Liege gerichtet, bis der Qualm zu dicht wurde, doch es tat sich nichts. Dann aber, als alles so dunkel war, daß ich nichts mehr sehen konnte, glaubte ich eine Bewegung unmittelbar in meiner Nähe zu hören. Möglich, daß es Dr. Winchester war, der zu Boden sank. Sicher konnte ich meiner Sache nicht sein. In der Meinung, es wäre womöglich die Königin im Erwachen begriffen, ließ ich Silvio zu Boden. Was aus ihm wurde, sah ich nicht. Als ich ihn drüben an der Tür miauen hörte, da war mir, als hätte ich ihn schmählich im Stich gelassen. Hoffentlich ist er mir nicht zu böse!«
Wie als Antwort darauf kam Silvio hereingelaufen, stellte sich auf und stützte sich mit den Vorderpfoten gegen Margaret, so als wolle er in den Arm genommen werden. Sie bückte sich, hob ihn hoch und liebkoste und tröstete ihn.
Nun machte ich mich an eine genaue Untersuchung der Couch und deren Umgebung. Und als Mr. Trelawny und Mr. Corbeck sich ausreichend erholt hatten, was bei ihnen früher der Fall war als bei Dr. Winchester, unternahmen wir gemeinsam eine zweite Untersuchung. Ein Häufchen feinsten Staubes, das einen merkwürdigen Totengeruch ausströmte, war alles, was wir entdecken konnten. Der Kopfschmuck der Königin und das Siebengestirn-Juwel, das Worte trug, die über Götter geboten, lagen auf der Couch.
Das waren die einzigen Hinweise auf das, was geschehen war. Unsere Annahme, die Mumie hätte ihre physische Existenz aufgegeben, wurde nur durch einen einzigen Hinweis bekräftigt: Im Sarkophag, der in der Halle stand, und in den wir die Katzenmumie getan hatten, befand sich ein ähnliches Häufchen Staub.
*
Margaret und ich heirateten im Herbst. Bei der Hochzeit trug sie das Gewand der Mumie, dazu Gürtel und Kopfschmuck. Auf der Brust funkelte der Stein des Siebengestirns, gefaßt in einen Goldring in Lotusform, jener Stein, auf dem Worte standen, denen die Götter aller Welten gehorchten.
Diese eingravierten Worte mögen ihre Wirkung getan haben, denn Margaret richtete sich stets nach ihnen, und ich könnte mir kein glücklicheres Leben denken als meines.
In Gedanken sind wir oft bei der großen Königin und sprechen ganz unbefangen von ihr. Einmal, als ich voll Bedauern sagte, mir täte es leid, daß sie zu keinem neuen Leben in einer neuen Welt erwachen konnte, sagte meine Frau, ihre Hände in meine legend, mit jenem in die Ferne gerichteten, sprechenden und doch verträumten Blick, den sie zuweilen annimmt:
»Sei ihretwegen nicht traurig! Wer weiß, ob sie nicht fand, was sie suchte? Liebe und Geduld allein bringen das größte Glück auf dieser Welt, in der Welt der Vergangenheit wie der Zukunft, bei Lebenden wie bei Toten. Sie träumte
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