Die sieben Finger des Todes
länger bleiben, so daß das neue Wächterpaar sofort erfahren würde, falls sich etwas ereignet hatte. Ich legte mich auf dem Sofa in meinem Zimmer zur Ruhe. Es war vereinbart, daß mich einer der Dienstboten kurz vor zwölf wecken sollte. Nach kürzester Zeit war ich eingeschlafen.
Als man mich weckte, brauchte ich eine Weile, bis ich meine Gedanken beisammen hatte, und erfaßte, wer ich war und wo ich mich befand. Die kurze Schlaf pause hatte mir jedoch gutgetan, und ich sah die Dinge um mich herum in nüchternerem Licht als am frühen Abend. Ich wusch mein Gesicht und ging sodann erquickt zum Krankenzimmer, wobei ich mich lautlos bewegte. Die Schwester saß still und aufmerksam am Bett. Der Detektiv hatte sich in einen im tiefen Schatten am anderen Ende des Raumes stehenden Armsessel gesetzt. Er rührte sich nicht, als ich auf ihn zuging. Erst als ich neben ihm stand, äußerte er in tonlosem Flüstern:
»Alles in Ordnung. Ich bin eingeschlafen!« Eine unnötige Bemerkung, wie ich bei mir dachte – wie immer, es sei denn, sie stimmt nicht. Als ich ihm sagte, seine Wache wäre vorbei und er könne ins Bett gehen, bis ich ihn um sechs Uhr wieder riefe, schien er erleichtert und macht sich eilends davon. Im Eingang wandte er sich um, machte kehrt und flüsterte mir zu:
»Ich habe einen leichten Schlaf und werde meine Pistole griffbereit halten. Gottlob, daß ich hier rauskomme. Dieser Mumiengeruch macht einem den Kopf schwer.«
So war er also gleich mir von Schläfrigkeit übermannt worden!
Ich fragte die Pflegerin, ob sie etwas brauchte. Ich bemerkte, ein Riechfläschchen auf ihrem Schoß. Zweifellos hatte auch sie den Einfluß zu spüren bekommen, dem ich so stark erlegen war. Sie antwortete, daß sie alles Nötige hätte, daß sie mich es aber sofort wissen lassen würde, falls sie etwas brauchte. Ich wollte nicht, daß sie mein Sauerstoffgerät bemerkte, deshalb zog ich mich in den im Dunkeln stehenden Sessel zurück, dem sie den Rücken zuwandte. Hier erst setze ich die Maske auf und machte es mir bequem.
Lange Zeit, wie mir schien, saß ich so da und gab mich meinen Gedanken hin. Es war ein wilder Gedankenwirrwarr, wie nach den Erlebnissen des Tages und der vergangenen Nacht nicht anders zu erwarten war. Wieder ertappte ich mich bei Überlegungen, was es mit dem ägyptischen Geruch wohl auf sich hätte. Und ich entsinne mich, daß ich köstliche Befriedigung darüber fühlte, daß er nicht mehr so stark spürbar war. Der Sauerstoffapparat erfüllte seinen Zweck.
Es muß wohl so gewesen sein, daß die beunruhigenden Gedankengänge einer Gemütsruhe Platz machten, eine natürliche Folgeerscheinung körperlicher Ruhestellung, denn ich sah ein Traumbild vor mir – träumte einen Traum, obwohl ich mich nicht erinnern kann, eingeschlafen zu sein oder aus einem Schlaf erwacht zu sein.
Ich befand mich im Raum, saß im Sessel. Ich hatte die Sauerstoffmaske vor dem Gesicht und wußte, daß ich frei atmen konnte. Die Pflegerin saß mit dem Rücken zu mir in ihrem Stuhl. Sie saß reglos da. Der Kranke lag da wie ein Toter. Das alles war einem Szenenbild ähnlicher als der Wirklichkeit. Alle waren reglos und still. Und diese Stille und Reglosigkeit dauerten fort. Von draußen, aus der Ferne hörte ich die Geräusche der Stadt, Räderrollen, den Ausruf eines Zechers, das entfernte Echo von Pfiffen und das Rattern von Zügen. Das Licht war ganz heruntergedreht und wirkte unter der grünbeschirmten Lampe eher als Unterbrechung der Dunkelheit denn als Lichtquelle. Der grüne Seidenschirm hatte die Farbe eines Smaragds im Mondschein angenommen. Der ganze Raum war voller Schatten. Meine durcheinandergeratenen Gedanken machten mir vor, daß alle wirklichen Dinge sich zu Schatten verflüchtigt hätten – zu Schatten, die sich bewegten, denn sie glitten an den matten Umrissen der hohen Fenster vorüber. Schatten, die einen eigenen Willen hatten. Ich glaubte sogar ein Geräusch zu hören, ein schwaches Geräusch wie das Miauen einer Katze – das Rascheln von Stoffdraperien und ein metallisches Klirren, als wäre Metall leise gegen Metall gestoßen. Ich saß da wie in Trance. Schließlich hatte ich wie in einem Alptraum das Gefühl, daß dies der Schlaf wäre und daß ich mit dem Durchschreiten seiner Tore meinen Willen eingebüßt hatte.
Ganz plötzlich waren meine Sinne hellwach. In meinen Ohren widerhallte ein Kreischen. Mit einemmal war das Zimmer hell-erleuchtet. Ich hörte Pistolenschüsse – einen, zwei. Weißer
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