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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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auf, daß man stündlich wünschte, man hätte sie nicht behalten. Die Frauenzimmer, die Schlampen, sind schon schlimm genug. Aber diese Männer, das sind die ärgsten!«
    Miß Trelawny gab ohne eine Spur von Ärger oder Empörung zurück:
    »Mrs. Grant, ich glaube, wir versuchen es lieber mit denen, die uns geblieben sind. Während der Krankheit meines Vaters werden wir sehr zurückgezogen leben, so daß nur drei Personen im Haus zu versorgen sind. Sollten diejenigen, die bleiben wollen, nicht ausreichen, dann werde ich Hilfe für sie engagieren. Man wird doch ohne Schwierigkeiten ein paar Hausmädchen bekommen, vielleicht solche, die Ihnen bekannt sind, Mrs. Grant. Und denken Sie bitte daran, daß diejenigen, die kommen und bleiben wollen und etwas taugen, denselben Lohn bekommen sollen wie die, die geblieben sind. Mrs. Grant, obwohl ich Sie natürlich nicht mit dem Personal auf eine Stufe stelle, gilt die Anhebung des Lohnes auf das Doppelte auch für Sie.«
    Dabei reichte sie ihre schmale, langfingrige Hand, die die andere erfaßte, sie an die Lippen führte und sich als Ältere gegenüber der Jüngeren die Freiheit nahm, sie zu küssen. Ich selbst konnte nicht umhin ihre Großzügigkeit im Umgang mit den Dienstboten zu bewundern. Mrs. Grants halblaute Bemerkung beim Verlassen des Raumes wird mir stets im Gedächtnis bleiben:
    »Kein Wunder, daß es hier wie im Haushalt eines Königs zugeht, wenn die Herrin selbst eine Prinzessin ist!«
    »Eine Prinzessin!« Das traf den Nagel auf den Kopf. Diese Vorstellung befriedigte meine Phantasie und rief mir in einer Woge von Licht jenen ersten Augenblick ins Gedächtnis, als sie auf dem Ball am Belgrave Square durch mein Blickfeld gewirbelt war. Eine königliche Gestalt! Groß, schlank, biegsam und beweglich gleich einer Lilie oder einem Lotus. In ein’ fließendes Gewand aus einem durchscheinenden, golddurchwirkten Material gekleidet. Als Kopfschmuck hatte sie ein altes ägyptisches Geschmeide getragen, eine kleine Kristallscheibe inmitten aufrechter, aus Lapislazuli geschnittener Federn. Um das Handgelenk war ein breites Band geschlungen eine alte Arbeit in Form eines ausgebreiteten Flügelpaares aus Gold, dessen Federn aus farbigen Steinen bestanden. Trotz ihrer anmutigen Haltung, die sie mir gegenüber bewies, als die Gastgeberin mich vorstellte, hatte ich damals Angst vor ihr. Erst später, beim Picknick auf dem Fluß, hatte ich ihre sanfte und liebenswerte Natur erkannt, und meine Scheu hatte sich zu etwas anderem gewandelt.
    Eine Weile saß sie da und machte sich Notizen. Dann schob sie die Sachen beiseite und ließ die treuen Dienstboten kommen. Da ich der Meinung war, sie solle dieses Gespräch lieber allein führen, ging ich hinaus. Und als ich wiederkam, sah ich Spuren von Tränen in ihren Augen.
    Die nächste Phase, an der ich Anteil hatte, war noch beunruhigender und sehr viel schmerzlicher. Am späten Nachmittag kam Sergeant Daw ins Arbeitszimmer. Nachdem er sorgsam die Tür geschlossen und sich gründlich umgesehen hatte, ob wir wohl allein wären, kam er ganz nahe an mich heran.
    »Was gibt es?« fragte ich. »Sie möchten mich allein sprechen?«
    »Ganz recht, Sir! Darf ich ganz vertraulich sprechen?«
    »Natürlich dürfen Sie. Wenn es um das Wohl von Miß Trelawny geht – und natürlich um das ihres Vaters –, sollen Sie ganz offen sein. Ich nehme an, daß wir beide ihnen nach besten Kräften dienen wollen.«
    Er zögerte ein wenig, eher er antwortete. »Sie wissen natürlich, daß ich meine Pflicht tun muß. Und Sie werden mich gewiß gut genug kennen, um zu wissen, daß ich sie tun werde. Ich bin Polizeibeamter, Detektiv. Und es ist meine Pflicht, die Tatsachen eines jeden Falles zutage zu fördern, auf den ich angesetzt werde, – ganz und gar unparteiisch. Ich würde es vorziehen mit Ihnen ganz allein und vertraulich zu sprechen, ohne Erwähnung von Pflichten irgend jemandem gegenüber, mit Ausnahme meiner gegenüber Scotland Yard schuldigen Pflicht.«
    »Selbstverständlich!« gab ich mechanisch zurück. Mein Herz sank, und ich wußte nicht warum. »Seien Sie ganz offen. Sie können sich auf mich verlassen.«
    »Danke, Sir. Was ich sage, müssen Sie für sich behalten. Nicht einmal Miß Trelawny oder ihr Vater, wenn er wieder gesund wird, dürfen es erfahren.«
    »Aber gewiß doch, wenn Sie es zur Bedingung machen!« sagte ich noch um eine Spur steifer. Dem Mann entging die Veränderung meines Tons und Gehabens nicht, denn er sagte

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