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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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sind wirklich wunderhübsche Sachen. Dieser Schrank gehörte dem großen Napoleon.«
    »Ja, gibt es denn in diesem Raum überhaupt nichts Ägyptisches?« fragte ich, mehr um Interesse an dem Gesagten zu bezeigen als aus einem anderen Grund, denn die Stilrichtung des Raumes war eindeutig. »Was für ein hübscher Schrank? Darf ich ihn mir näher ansehen?«
    »Aber natürlich, mit dem größten Vergnügen!« sagte sie lächelnd. »Er ist innen wie außen vollendet, einfach einmalig, wie Vater sagt.«
    Ich ging näher und sah mir das Möbelstück genauer an. Es war ein Schrank aus Rosenholz mit kunstvoller Einlegearbeit verziert und mit Malergold abgesetzt. Ich zog eines der Schubfächer auf, ganz unten, und als ich es aufzog, wurde ein Rollen und Klingeln hörbar, wie Metall auf Metall.
    »Nanu«, sagte ich. »Was ist denn da drinnen? Ich hätte wohl die Finger davon lassen sollen.«
    »Ich wüßte nicht, was da drinnen sein soll«, gab sie zurück. »Möglich, daß eines der Hausmädchen etwas hineingetan und es dann vergessen hat. Ziehen Sie die Lade ganz auf.«
    Ich zog sie auf, und wir beide, Miß Trelawny und ich, fuhren erschrocken zurück.
    Da lagen vor unseren Augen eine Anzahl alter ägyptischer Leuchten von verschiedener Größe und seltsam unterschiedlicher Form.
    Wir beugten uns darüber, um sie näher anzusehen. Mein Herz pochte wie ein Hammer. Ich sah, wie Margarets Brust sich hob und senkte und erkannte daran ihre Erregung.
    Während wir dastanden und kaum wagten, die Dinge anzufassen, ja kaum wagten zu denken, wurde an der Haustür geläutet. Gleich darauf betrat Mr. Corbeck, gefolgt von Sergeant Daw das Vestibül. Die Tür zum Boudoir stand offen, und als die beiden uns sahen, traten sie ein. Mr. Corbeck trug in Miene und Gehaben gebändigte Freude zur Schau, als er impulsiv hervorstieß:
    »Meine liebe Miß Trelawny, freuen Sie sich mit mir! Mein Gepäck hat sich gefunden, und die Sachen sind unversehrt!« Mit langem Gesicht fügte er allerdings hinzu. »Bis auf die Leuchten. Und die Leuchten waren tausendmal mehr wert als alles übrige…« Ihre Blässe ließ ihn innehalten. Sodann folgte sein Blick dem ihren und erhellte sich, als er den Wirrwarr von Leuchten im Schubfach sah.
    Er stieß einen Schrei des Staunens und der Freude aus, als er sich darüberbeugte und sie anfaßte:
    »Meine Leuchten! Meine Leuchten! Sie sind sicher und unversehrt! Aber wie, in Gottes Namen – im Namen aller Götter – sind sie hierhergelangt?«
    Wir alle standen stumm da. Der Detektiv sog laut die Luft ein. Ich sah ihn an, und als er meinem Blick begegnete, sah er zu Miß Trelawny hinüber, die ihm den Rücken zukehrte.
    In seinem Blick lag derselbe Argwohn wie damals, als er mit mir darüber gesprochen hatte, daß sie jeweils als erste ihren Vater nach den Überfällen aufgefunden hatte.

9. KAPITEL
     
    DAS GEHEIME WISSEN
     
    Die Wiederauffindung seiner Leuchten schien Mr. Corbeck fast um den Verstand zu bringen. Er nahm sie der Reihe nach zur Hand und betrachtete sie mit einer Hingabe, als wären sie Gegenstand seiner Liebe. In seiner freudigen Erregung atmete er so heftig, daß es wie Katzenschnurren klang. Da unterbrach Sergeant Daws Stimme wie die Dissonanz in einer Melodie die Stille:
    »Sind Sie ganz sicher, daß diese Leuchten Ihnen gehören und daß es die gestohlenen sind?«
    Die Antwort kam höchst indigniert: »Aber gewiß doch! Natürlich bin ich dessen sicher. Auf der ganzen Welt existiert keine zweite Garnitur solcher Leuchten?«
    »Soweit Sie es wissen!« Diese Worte kamen ganz ruhig, obwohl der Detektiv sehr aufgebracht war, wie ich merkte. Und er fuhr fort: »Wer weiß, vielleicht gibt es im Britischen Museum ähnliche, oder Mr. Trelawny hat diese vielleicht bereits besessen. Wie Sie sicher wissen, Mr. Corbeck, gibt es nichts Neues unter der Sonne. Nicht einmal in Ägypten. Es wäre doch möglich, daß dies hier die Originale sind und die Ihren bloß Kopien. Gibt es bestimmte Kennzeichen, an Hand derer sie diese hier als Ihre Leuchten identifizieren könnten?«
    Mittlerweise war Mr. Corbeck in Wut geraten und vergaß seine Zurückhaltung. In seiner Empörung gab er einen Schwall fast unzusammenhängender, aber nichtsdestoweniger sehr bezeichnender, abgehackter Sätze von sich:
    »Identifizieren! Kopien! Britisches Museum! Mumpitz! Ha, wahrscheinlich gibt es bei Scotland Yard ein paar Exemplare als Anschauungsmaterial, damit die idiotischen Polizisten was von Ägyptologie lernen! Ob ich sie erkenne?

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