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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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nächsten Tag ließen wir ein kleines Safe ins Haus bringen, in dem die Leuchten untergebracht wurden. Zu diesem Safe gab es zwei Schlüssel. Einen behielt ich, den zweiten hinterlegte ich in meinem Fach in der Stahlkammer der Bank. Wir wäre entschlossen, ein zweites Abhandenkommen der Leuchten zu verhindern.
    Etwa eine Stunde nachdem wir die Leuchten gefunden hatten, kam Dr. Winchester. Er trug ein großes Paket mit sich, das sich, nachdem er es ausgepackt hatte, als Mumie einer Katze entpuppte. Mit Miß Trelawnys Erlaubnis schaffte er die Mumie ins Boudoir. Sodann wurde Silvio in ihre Nähe gebracht. Zur großen Verwunderung aller – mit Ausnahme Dr. Winchesters – zeigte der Kater sich nicht im mindesten erzürnt, sondern nahm keinerlei Notiz von der Mumie. Laut schnurrend stand der Kater daneben auf dem Tisch. Als nächstes schaffte der Arzt den Kater in Mr. Trelawnys Zimmer. Wir folgten ihm auf dem Fuße. Dr. Winchester zeigte sich sehr aufgeregt, Miß Trelawny beklommen. Ich selbst war mehr als nur interessiert, denn mir dämmerte allmählich, was der Doktor da eigentlich im Sinn hatte. Der Detektiv gab sich ruhig und kühl überlegen, doch Mr. Corbeck, der sehr begeisterungsfähig war, war ganz Eifer und Neugier.
    Kaum hatte Dr. Winchester den Raum betreten, als Silvio zu miauen anfing und sich drehte und wand. Aus den Armen des Doktors springend, rannte er auf die Katzenmumie zu und bearbeitete sie wütend mit seinen Krallen. Miß Trelawny hatte Mühe, ihn wegzuschaffen. Sowie er aber den Raum verlassen hatte, wurde der Kater wieder ruhig. Als Miß Trelawny wiederkam, tönten unsere Kommentare wild durcheinander.
    »Dachte ich mir’s doch!« rief der Arzt.
    »Was kann das nur bedeuten?« meinte Miß Trelawny.
    »Hm, überaus sonderbar!« ließ sich Mr. Corbeck vernehmen.
    »Ja, sonderbar, aber es beweist gar nichts!« äußerte der Detektiv.
    »Ich halte mit meinem Urteil vorläufig zurück!« rief ich dazwischen, da ich es für ratsam hielt, irgendeine Äußerung zu tun.
    Sodann wurde das Thema übereinstimmend fallengelassen – vorläufig.
    Als ich abends in meinem Zimmer saß und mir Notizen über die Vorfälle des Tages machte, ertönte ein leises Pochen an der Tür. Auf meine Aufforderung hin trat Sergeant Daw ein, die Tür vorsichtig hinter sich schließend.
    »Setzen Sie sich, Sergeant«, sagte ich. »Was gibt es?«
    »Sir, ich wollte mit Ihnen über die Leuchten sprechen.« Ich nickte und wartete ab. Er fuhr fort: »Sie wissen sicher, daß das Zimmer, in dem Sie diese fanden, an dasjenige anschließt, wo Miß Trelawny letzte Nacht schlief?«
    »Ja.«
    »In der Nacht wurde in jenem Teil des Hauses ein Fenster geöffnet und wieder geschlossen. Ich hörte es und sah mich daraufhin um. Aber ich konnte nichts entdecken, rein gar nichts.«
    »Ja, das weiß ich«, gab ich zurück. »Ich hörte selbst, wie mit einem Fenster hantiert wurde.«
    »Sir, kommt Ihnen dabei nicht etwas sehr Merkwürdig vor?«
    »Merkwürdig!« sagte ich. »Merkwürdig, sagen Sie! Es ist die verwirrendste und verrückteste Sache, die ich je erlebte. Alles ist so merkwürdig, daß man verwundert zuwartet, was als nächstes passieren wird. Aber was meinen Sie mit merkwürdig?«
    Der Detektiv schien seine Worte mit Bedacht zu wählen. »Sie müssen wissen, daß ich nicht an Hexerei und dergleichen glaube. Ich bin immer für Tatsachen, denn ich habe die Erfahrung gemacht, daß sich mit der Zeit für alles ein Grund und eine Ursache finden. Dieser Mr. Corbeck behauptet, die Leuchten wären ihm in seinem Hotelzimmer gestohlen worden. Die Leuchten gehören in Wahrheit Mr. Trelawny, das habe ich aus einigen seiner Bemerkungen entnommen. Dessen Tochter, die Dame des Hauses, schläft in der bewußten Nacht im Erdgeschoß statt in ihrem Zimmer. Als wir, die wir den Tag über nach einer Spur in diesem Diebstahl gesucht haben, das Haus betreten, finden wir die gestohlenen Sachen in einem Raum, der an jenen anschließt, in dem Miß Trelawny schlief.«
    Er hielt inne. Ich verspürte, wie mich jenes schmerzliche und widerstrebende Gefühl übermannen wollte, das ich bei meinem ersten vertraulichen Gespräch gehabt hatte. Aber ich mußte den Tatsachen ins Auge sehen. Meine Beziehung zu ihr und das Gefühl, das ich ihr entgegenbrachte, nämlich tiefe Liebe und Hingabe, wie ich jetzt wußte, erforderten dies. So ruhig, als es mir möglich war, weil ich die scharfen Augen dieses versierten Detektivs auf mir spürte, sagte ich:
    »Und was folgt

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