Die sieben Finger des Todes
nun fort:
»Ich habe nun so viel gesagt, obwohl ich wohl weiß, daß auch nur die geringste Andeutung, die einer von Ihnen meinen Worten vielleicht entnehmen konnte, den Erfolg seiner Arbeit gefährden könnte. Doch bin ich überzeugt, daß Sie ihm und seiner Tochter helfen wollen«, wobei er letzteres zu mir gewandt sagte, »und zwar nach festen Kräften, aufrichtig und selbstlos. Er wurde so schwerheimgesucht, noch dazu von einer Krankheit, die von so geheimnisvoller Natur ist, daß sich mir der Gedanke aufdrängt, sie müßte eine Folge seiner Arbeit sein. Daß er mit einem Rückschlag rechnete, ist uns jetzt allen klar. Gott weiß, daß ich gewillt bin zu tun, was in meinen Kräften steht, und mein ganzes Wissen dabei anzuwenden. Ich kam hochgestimmt in England an, weil ich die Mission, mit der ich betraut worden war, erfolgreich abgeschlossen hatte. Ich hatte in Händen, was die letzten Objekte seiner Suche waren, wie er mir sagte. Und ich war sicher, er würde nun mit dem Experiment beginnen, von dem er so oft andeutungsweise gesprochen hatte. Schrecklich, daß er ausgerechnet jetzt von dieser Krankheit befallen wurde. Dr. Winchester, Sie sind Arzt, und wenn ihr Aussehen nicht trügt, sind Sie ein kluger und wagemutiger Arzt. Gibt es denn keine Möglichkeit, mit der Sie den Mann aus seiner unnatürlichen Starre erwecken können?«
Nun trat eine Pause ein. Dann kam langsam und bedächtig die Antwort:
»Es existiert hierfür kein mir bekanntes Mittel. Mag sein, daß es etwas Außergewöhnliches dafür gibt. Aber es wäre wohl zwecklos, wenn man versuchte, es zu finden, es sei denn unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Wissen! Ich bin, was Ägypten betrifft, ein völliger Ignorant.
Ich weiß nichts von Sprache, Schrift, Geschichte, Geheimnissen, Heilkunst, Giften, okkulten Kräften – alles das, was das Geheimnisvolle dieses rätselhaften Landes ausmacht. Diese Krankheit oder dieser Zustand, wie immer man das nennen mag, woran Mr. Trelawny leidet, steht in irgendeinem Zusammenhang mit Ägypten. Diesen Verdacht hatte ich von allem Anfang an, und später wurde er zu einer, wenn auch unbewiesenen Gewißheit. Was Sie heute abend sagten, bestätigt meine Annahme und läßt mich vermuten, daß man einen Beweis erlangen könnte. Ich glaube, daß Sie noch nicht alles wissen, was sich seit der Nacht des ersten Überfalls, seit dem Auffinden von Mr. Trelawnys Körper, in diesem Haus ereignet hat. Ich schlage vor, daß wir Sie voll und ganz einweihen. Wenn Mr. Ross einverstanden ist, soll er Ihnen alles berichten. Er besitzt mehr Übung darin, Tatsachen vor anderen Menschen auszubreiten. Er kann per Vollmacht sprechen, und in diesem Fall besitzt er die beste aller Vollmachten, nämlich die Erfahrung von Augen und Ohren und das Tatsachenmaterial, das er an Ort und Stelle von Teilnehmern und Zusehern erfuhr. Wenn Sie erst alles wissen, dann werden Sie hoffentlich in der Lage sein zu beurteilen, wie Sie Mr. Trelawny am besten helfen können und ob seinen geheimen Wünschen besser durch Ihr Schweigen oder durch Ihr Reden gedient ist.«
Ich nickte zustimmend. Mr. Corbeck sprang auf und streckte uns in seiner impulsiven Art beide Hände entgegen.
»Abgemacht!« sagte er. »Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie mich mit Ihrem Vertrauen beehren. Meinesteils verpflichte ich mich, daß ich, sollte ich entdecken, daß meine Verpflichtung Mr. Trelawnys Wünschen gegenüber in seinem eigenen Interesse eine Offenbarung erlauben, so offen sprechen werde, wie ich darf.«
Und so begann ich und berichtete alles vom Moment meines Erwachens in der Jermyn Street. Zurückhaltung übte ich bloß, was meine Gefühle für Miß Trelawny betraf und meine Unterredung mit Sergeant Daw, die vertraulicher Natur gewesen war. Mr. Corbeck folgte meinem Bericht mit atemlosen Interesse. Dann und wann sprang er auf, um in seiner Erregung auf und ab zu laufen. Dann wieder geschah es, daß er etwas sagen wollte, sich aber mit Mühe zurückhielt. Ich glaube, der Bericht trug mit dazu bei, daß ich zu einem Entschluß kam. Denn während ich redete, erschien mir alles in klarerem Licht. Große und kleine Dinge wurden im Verhältnis zu ihrer Bedeutung für den Fall in die richtige Perspektive gerückt. Die Geschichte zeigte sich zusammenhängender, mit Ausnahme natürlich der Ursache aller Ereignisse, die sich als größeres Rätsel zeigte als je zuvor. Der Vorteil zusammenhängenden und lückenlosen Berichts ist folgender: Einzelne Tatsachen, Zweifel,
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