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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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Verdachtsmomente, Annahmen, das alles weicht einem überzeugenden Zusammenhang.
    Daß Mr. Corbeck überzeugt war, ließ sich nicht übersehen. Er gab sich nicht mit Erklärungen und Einschränkungen ab, sondern kam sofort zur Sache, schneidig und mannhaft:
    »Damit ist meine Entscheidung gefallen! Hier ist eine Kraft wirksam, die besonderer Maßnahmen bedarf. Wenn wir weiterhin im dunkeln weitermachen, geraten wir einander in die Quere und machen alles zunichte, was wir, die wir nach verschiedenen Richtungen tätig sind, erreichen könnten. Mich dünkt, daß wir als erstes Mr. Trelawny aus seinem unnatürlichen Schlaf reißen müssen. Daß dies erreicht werden kann, ist daraus ersichtlich, daß die Krankenschwester erwacht ist. Was für zusätzlicher Schaden ihm durch das Liegen in diesem Zimmer zugefügt wurde, kann vermutlich niemand sagen. Dieses Risiko müssen wir in Kauf nehmen und uns damit abfinden. Ein Tag mehr oder weniger wird jetzt wohl nichts mehr ausmachen. Es ist schon spät. Und morgen liegt wahrscheinlich eine Aufgabe vor uns, die alle unsere Energien erfordert. Sie, Doktor, werden gewiß zu Bett gehen wollen, denn es ist anzunehmen, daß Sie morgen daneben noch andere Arbeit haben. Soviel ich weiß, Mr. Ross, übernehmen Sie heute eine Schicht im Krankenzimmer. Ich will Ihnen ein Buch gegen Langeweile geben. Bei meinem letzten Hiersein sah ich es in der Bibliothek, und ich kann mir nicht denken, daß Mr. Trelawny es seither in der Hand hatte. Was in diesem Buch steht, weiß er ohnehin schon seit langem. Aber zum Verständnis anderer Dinge, von denen ich Ihnen später berichten will, wird es notwendig, oder zumindest hilfreich sein. Sie werden Dr. Winchester einiges sagen können, was ihm weiterhelfen kann. Denn ich vermute, daß unsere Arbeit sehr bald Arbeitsteilung erfordern wird. Und diese Arbeit wird unsere gesamte Zeit und unser ganzes Verständnis in Anspruch nehmen. Sie brauchen nicht das ganze Buch zu lesen. Was für Sie von Interesse sein wird, ist das Vorwort und zwei oder drei Kapitel, die ich für sie anmerken werden – im Hinblick auf unseren Fall natürlich, denn das Buch als Ganzes ist ein interessanter Reisebericht über ein Land, das damals noch ganz unbekannt war.«
    Er wechselte einen warmen Händedruck mit Doktor Winchester, der ebenfalls aufgestanden war.
    Während seiner Abwesenheit saß ich allein da und dachte nach. Und während ich nachdachte, erschien die Welt um mich unendlich groß. Der eine kleine Punkt, für den ich mich interessierte, schien mir wie ein kleiner Fleck inmitten einer Wildnis. Außerhalb herrschten Dunkelheit und unbekannte Gefahren, die von allen Seiten auf mich eindrangen. Und die zentrale Gestalt in unserer kleinen Oase war von Liebreiz und Schönheit. Eine Gestalt, die man lieben konnte, für die man arbeiten, für die man sterben konnte…!
    Nach kurzer Zeit war Mr. Corbeck mit dem Buch zur Stelle. Er hatte es sofort an jener Stelle wiederentdeckt, wo er es vor drei Jahren gesehen hatte. Nachdem er mehrere Papierschnitzel als Markierung für die zu lesenden Stellen eingefügt hatte, legte er es mir mit den Worten in die Hände:
    »Das ist es, was Mr. Trelawny in Bewegung setzte – und mich auch, nachdem ich es gelesen hatte. Ohne Zweifel wird es für Sie den interessanten Beginn eines SpezialStudiums sein – wie immer es auch enden mag. Falls überhaupt jemand von uns je das Ende sehen wird.«
    In der Tür hielt er inne und setzte hinzu:
    »Eines muß ich zurücknehmen. Dieser Detektiv ist ein guter Mann. Was Sie mir da von ihm erzählten, läßt ihn in einem neuen Licht erscheinen. Der beste Beweis dafür ist es, daß ich mich heute ruhig zu Bett begeben kann und die Leuchten in seiner Obhut zurücklasse!«
    Ich nahm das Buch an mich, setzte mein Atemgerät auf und machte mich auf zu meiner Schicht im Krankenzimmer!
     

10. KAPITEL
     
    DAS TAL DER MAGIER
     
    Ich legte das Buch auf das Tischchen mit der Lampe, deren Schirm ich ein wenig zur Seite verschob. Auf diese Weise fiel das Licht auf den Text. Blickte ich auf, sah ich das Bett, die Schwester und die Tür gleichzeitig. Ich kann nicht behaupten, daß die Umstände angenehm oder dergestalt waren, daß sie jene Vertiefung in das Thema ermöglicht hätten, die für ein effektives Studium wünschenswert ist. Nun denn, ich machte mich ans Werk, so gut es ging. Das Buch erforderte von der allerersten Seite an besondere Aufmerksamkeit. Es war Foliant, holländisch abgefaßt, 1650 in Amsterdam

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