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Die sieben Finger des Todes

Die sieben Finger des Todes

Titel: Die sieben Finger des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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erschienen. Jemand hatte eine wörtliche Übersetzung angefertigt, indem er das englische Wort unter das entsprechende holländische schrieb, so daß die grammatikalischen Unterschiede der beiden Sprachen auch das Lesen der Übersetzung zu einem schwierigen Unterfangen machte. Man mußte ständig zwischen den Wörtern vor- und zurückhüpfen. Dazu kam die Schwierigkeit, eine fremde, zweihundert Jahre alte Handschrift entziffern zu müssen. Ich machte jedoch die Entdeckung, daß ich rasch dazu überging, der holländischen Satzkonstruktion in normalem Englisch zu folgen. Und als ich mich an die Schrift gewöhnt hatte, wurde alles viel einfacher.
    Zunächst störte mich meine Umgebung und die Befürchtung, Miß Trelawny könnte unerwartet kommen und mich bei der Lektüre eines Buches überraschen. Denn ehe Dr. Winchester gegangen war, hatten wir untereinander abgesprochen, daß sie von den kommenden Ermittlungen ausgeschlossen bleiben sollte. Wir fürchteten, daß geheimnisumwitterte Dinge einem weiblichen Gemüt womöglich einen großen Schock versetzten. Dazu kam, daß sie als Mr. Trelawnys Tochter womöglich hinterher ihm gegenüber in eine schwierige Lage geraten würde, falls sie an der Mißachtung seiner Wünsche beteiligt war oder auch nur davon wußte. Als mir jedoch einfiel, daß sie erst um zwei ihren Platz am Krankenbett einnehmen würde, ließ die Furcht vor einer Unterbrechung nach. Vor mir lagen noch drei Stunden. Schwester Kennedy saß geduldig und aufmerksam in ihrem Stuhl am Krankenbett. Draußen auf dem Treppenabsatz tickte eine Uhr, andere Uhren im Haus tickten ebenfalls. Das städtische Leben draußen machte sich mit einem entfernten Gesumm bemerkbar, das hin und wieder zu einem Getöse anschwoll, wenn eine westwärts wehende Brise den Geräuschwirrwarr mitnahm. Dennoch war es die Stille, die hier vorherrschte. Das auf mein Buch fallende Licht, und der dämpfende grüne Seidenschirm verstärkten bei jedem Aufblicken das Dunkel des Krankenzimmers. Mit jeder Zeile, die ich las, schien sich das Dunkel zu vertiefen, so daß mich das Licht fast blendete, wenn ich meinen Blick wieder dem Buch zuwandte. Ich hielt jedoch mein Wort und vertiefte mich so in das Thema, daß mein Interesse echt geweckt wurde.
    Das Buch stammte von einem gewissen Nicholas van Huyn aus Hoorn. Im Vorwort berichtete er, wie er vom Werk »Pyramidographia« des John Greaves vom Merton College angeregt, eine Reise nach Ägypten unternahm, wo sein Interesse für die Wunder dieses Landes so stark geweckt wurde, daß er Jahre seines Lebens darauf verwandte, unbekannte Orte aufzusuchen und die Ruinen vieler Tempel und Gräber zu erforschen. Er war aufzahlreiche Varianten der Geschichte vom Pyramidenbau gestoßen, wie sie vom arabischen Historiker Abn Abd Alhokin berichtet wird, und einige davon schrieb er nieder. Ich hielt mich mit diesen Geschichten nicht auf, sondern blätterte weiter zu den angemerkten Seiten.
    Kaum aber begann ich dort zu lesen, wuchs in mir das Empfinden, daß um mich ein störender Einfluß wirksam würde. Ein- oder zweimal sah ich auf, um festzustellen, ob die Schwester sich gerührt hatte, weil ich das Gefühl nicht loswurde, jemand stünde ganz dicht neben mir. Aber Schwester Kennedy saß an ihrem Platz, ruhig und wachsam wie immer. Und ich wandte mich wieder meinem Buch zu.
    Es wurde berichtet, wie nach einer Tage währenden Durchquerung der Berge östlich von Assuan, der Forscher an einen bestimmten Ort gelangte. Ich will hier seine eigenen Worte wiedergeben, indem ich die vorliegende Übersetzung einfach in modernes Englisch übertrage:
    »Gegen Abend gelangten wir an den Eingang eines schmalen, tief eingeschnittenen Tales, das in ost-westlicher Richtung verlief. Ich wollte das Tal hinter mich bringen, denn die nun ganz tief am Horizont stehende Sonne zeigte hinter der Felsenge eine weite Öffnung. Die Fellachen aber weigerten sich, das Tal zu solcher Zeit zu betreten und wandten ein, sie könnten von der Nacht überrascht werden, ehe sie den Ausgang erreicht hätten. Zunächst wollten sie keinen Grund für ihre Ängste angeben. Sie waren bislang überallhin gegangen, wohin ich wünschte, und zu jeder Zeit. Auf mein Drängen hin sagten sie jedoch, daß dies das Tal des Magiers sei, das niemand des Nachts betreten dürfe. Auf meine Bitte hin, sie sollten mir vom Magier erzählen, sagten sie, er hätte keinen Namen und sie wüßten nichts. Am nächsten Morgen aber, als die Sonne aufgegangen war und auf das Tal

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