Die sieben Häupter
die das Haus in der Hand hält.
»Was hat sie ausgefressen?« brummte der Bauer. »Ich bezahle nichts. Ich kann gar nichts bezahlen! Und wenn ich es könnte, würde ich es nicht. Sie ist nicht mehr meine Tochter. Wenn sie Schaden angerichtet hat, dann muß sie selbst dafür büßen.« Er stutzte. »Ihr kommt mir bekannt vor. Wer seid Ihr? Habt Ihr nicht vorhin in der Schenke gesessen?«
»Ja, ich war im Gasthaus. Habe dich gesucht und ausfindig gemacht. Um dich nicht zu demütigen, wartete ich, bis du nach Hause gegangen bist. Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte dich inmitten deiner Gefährten ergriffen?«
»Ergriffen? Was bedeutet das? Ich soll doch nicht gefangengesetzt werden?«
»Womöglich läßt sich das nicht vermeiden.«
Die Frau heulte auf. »Das haben wir davon! Wie oft habe ich geschwiegen, um sie zu schützen. Zum Lohn bringt sie dich nun in den Kerker. Dieses Biest!«
»Sie ist meine Tochter! Nenne Ethlind noch einmal ein Biest, und ich werfe dich aus dem Haus.«
»Du weißt überhaupt nicht«, murmelte die Frau, »wie schwer sie mir das Leben gemacht hat.«
Die Zähne des Bauern knirschten. »Schweig endlich!« Zornesröte schoß ihm in das Gesicht. »Du hast mich gegen sie aufgewiegelt, sonst wäre sie noch hier. Und dir, Bursche, kann ich nur sagen –«
»Dein Gejammer bringt sie auch nicht zurück, Bauer. Genausowenig wie es dich davor bewahren wird, daß du den Schaden bezahlst, den sie angerichtet hat.«
»Was hat sie getan?«
Ludger hob eine Braue und schwieg. Schweiß rann ihm den Nacken hinunter.
»Was ist? Versuchst du mir Angst einzujagen?«
»Was wird sie wohl getan haben? Wo wird sie wohl sein?« Eike hatte diesen Trick aus seiner Schöffenzeit oft erwähnt. Man entlockte anderen etwas, indem man so tat, als wisse man es bereits.
Der Bauer trat auf ihn zu. »Belauscht hast du mich im Gasthaus. Und nun meinst du, mich einschüchtern zu können? Hast nicht einmal ein Schwert umgebunden, und willst ein Büttel sein, der mich in die Burg hinaufschleppt? Ich werde dir zeigen, was man davon hat, wenn man mich zum Narren halten will.« Die Hand, die Ludger zur Verteidigung hob, schlug der Bauer mühelos zur Seite. Er packte ihn am Hals, schob ihn vor sich her. Die Wand prallte gegen Ludgers Hinterkopf, Dröhnen arbeitete sich über die Ohren zur Stirn vor. Er umgriff die fetten Handgelenke und versuchte, den Würgegriff aufzubiegen. In seinen Ohren rauschte es. Die Wangen pulsten, schwollen an. Dick, wie mit Wolle ausgestopft, war der Kopf. Schweiß brach ihm aus allen Poren. Er bekam keine Luft mehr. Der Raum verschwamm. Dann plötzlich einKrachen. Licht. Etwas Mannshohes, Dunkles fuhr auf ihn zu und donnerte gegen seinen Schädel.
Konrads Stimme: »Was für ein Anblick! Das läßt du mit dir machen, Repgow?« Er lachte.
In einer namenlosen Anstrengung zog Ludger an den Armen des Bauern. Ergebnislos. Tierhafte Laute quollen über seine Lippen.
»Nein, nein, bleibt nur so stehen! Die anderen sollen sich das anschauen. Sie sind jeden Augenblick hier. Was wirst du blaß, Bauer? Genieße den Spaß, solange du kannst! Wenn du unter dem Richtschwert kniest, wirst du dich freuen, es ausgekostet zu haben. Wer möchte schon ohne Grund ins Gras beißen?«
Der Bauer stammelte: »Repgow?«
»Du bezahlst den Preis, also sollst du auch das Vergnügen haben. Aber hüte dich, den jungen Herrn wirklich zu verletzen! Wenn er geschädigt wird, dann ist die Strafe eine andere. Sagen wir, du wirst dann Stück für Stück geköpft.« Wieder lachte Konrad.
Ludger kniff die Lider zu. Tränen rollten seine Wangen hinunter. Er riß die Augen wieder auf und sah klarer. Konrad stand dort, ruhig lächelnd. Die Tür. Sie mußte auf ihn zugeflogen sein, sie war verantwortlich für den stechenden Schmerz an der Stirn.
»Ihr seid ein … Repgow?« Vorsichtig löste der Bauer die Pranken, klopfte ihm den Staub von den Schultern und strich ihm die Falten aus dem Gewand. »Wie konnte ich das übersehen! Das Dämmerlicht, Ihr müßt entschuldigen.« Er sank hinunter, berührte die Stiefel mit der Stirn.
Ludger rieb sich den Hals. Er verspürte nicht wenig Lust, den Bauern zu treten. Mühsam stand er aufrecht; der Schmerz in der gequetschten Kehle wollte ihn zwingen, sich vornüber zu beugen. Er krächzte: »Steh auf! Du weißt, wo deine Tochter ist, nicht wahr?«
»Ich weiß es nicht, wirklich, das ist die Wahrheit.«
Ludger verschränkte die Arme, schüttelte den Bauern ab, der seine Beine befingerte und
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