Die sieben Häupter
Entschuldigungen wimmerte.
»Was hat sie getan?« flüsterte der Bauer, sich erhebend. »Hat sie … großen Schaden angerichtet?« Der Blick flatterte. Er sah zu Boden. »Wo ist sie hin? Hat sie nicht kürzlich mit dem alten Lurias über Nienburg gesprochen? Wegen des verwundeten Fremden. Sie ist zum Kloster gereist, richtig? Hat sie gestohlen? Ist durch ihr Verschulden ein Feuer ausgebrochen? Hat sie gar … Der Kirche ist nichts geschehen. Die Kirche ist doch unversehrt? Sie hat so gern im Feuer gestochert.«
»Ein verwundeter Fremder?«
»Ich habe ihr gesagt, sie soll ihn nicht ins Haus schaffen, aber sie hat sich über meinen Willen hinweggesetzt.«
»Wie so oft«, ergänzte die Frau.
»Hast du irgend etwas hier, das dem Fremden gehörte?«
»Nein, nichts.«
»Ich frage noch einmal: Hast du etwas hier, das dem Fremden gehörte?«
»Bitte, Ihr müßt mir glauben, Herr! Er trug nichts bei sich, und es ist nicht ein Haar von seinem Kopf in meinem Haus geblieben.«
»Das wird bei Gelegenheit festzustellen sein.«
»Von Anfang an wollte ich ihn nicht in meinem Haus haben.«
»Wenn dir dein Leben lieb ist, sprich nicht mehr von dem Fremden! Um deine Tochter wollen wir uns kümmern.« Ludger trat aus dem Haus. Er ging einige Schritte, dann beugte er den Nacken, würgte, hustete. Konrad holte ihn ein. Warum war er zum Haus zurückgekehrt? Und warum hatte er ihn gerettet? Das Jahr am Hof des Grafen hatte Ludger gelehrt, daß niemand handelte, ohne zu versuchen, einen Vorteil für sich herauszuschlagen.
»Ich glaube, er wird sich eine ganze Weile nicht herauswagen. Geht es einigermaßen? Donner, mir haben die Knie gezittert bei dem kleinen Maskenspiel gerade. Bin froh, daß der Bauer es nicht bemerkt hat. Ich mußte mich am Türrahmen abstützen, so schlimm war es.«
»Wieso habt Ihr mich da herausgeholt?«
»Ich weiß nicht. Ihr klingt nicht gerade so, als wärt Ihr …«
»Dankbar? Doch, das bin ich.« Er strich sich über die schmerzende Stirn. Sie blutete. »Der Schlag mit der Tür hätte allerdings wirklich nicht sein müssen.«
»Verzeiht. Es war ein Versehen.«
»Wartet, schweigt!«
Hinter ihnen hatte sich die Tür geöffnet, und es näherte sich die Bauersfrau. »Bitte, Ihr dürft nicht zürnen, es … Er wollte Euch nicht betrügen, er wußte nur nicht, was Ihr mit ihm tun würdet, wenn er es gesteht. Wir haben etwas vom Fremden, hier, nehmt es. Bitte, verschont unser Leben!«
Stumm nickte Ludger, nahm ein winziges Lederpäckchen entgegen. Er tastete: Es enthielt einen harten Gegenstand. Auf keinen Fall würde er es vor Konrads Augen auswickeln. »Es ist gut, Frau. Sag deinem Mann, er hat seinen Hals gerettet, indem er es uns aushändigte.« Sie verbeugte sich und eilte zum Haus zurück, ängstliche Blicke nach allen Richtungen in die Nacht werfend. »Sie erwartet die Häscher«, sagte Ludger. »Gehen wir zum Gasthaus. Es gibt einige Fragen.«
Bald saßen sie sich im Schankraum gegenüber. Auf ihrem Tisch kämpfte ein Talglicht gegen den biergeschwängerten Rauch; kaum erhellte es die Gesichter. Die meisten Bauern waren gegangen. Allein die Pilger schliefen in mitleiderregenden Verrenkungen rings um ihre Bierkrüge, halb sitzend, halb über Tisch und Bank und Sitznachbar gestreckt. In den Geruch von verbranntem Speck mischte sich stechender Uringestank.
»Wer seid Ihr?« Ludger musterte den jungen Dieb. Das Gesichtwar knabenhaft schmal, die Kieferlinie beinahe von weiblicher Schönheit. Blonde Locken hingen auf die Stirn herunter und fielen immer wieder auf die Schläfen; es war zwecklos, daß Konrad sie hinter die Ohren strich.
»Konrad von Rietzmeck. Ihr wißt das bereits. Wie darf ich Euch nennen? Sicher ist es Euch unlieb, wenn ich Euch wie einen alten Kumpanen mit ›Repgow‹ anspreche. Und wollt Ihr nicht beschauen, was die Frau Euch gegeben hat? Ich bin neugierig!«
Konrad von Rietzmeck. Log er? Flackerte da Furcht in seinem Blick? Ludger kniff die Lippen zusammen. »Ich traue Euch nicht. Warum habt Ihr Euch an das Haus herangepirscht? Und warum seid Ihr zurückgekehrt? Habe ich Euch nicht mit dem Strang gedroht?«
»Was muß man noch tun, außer Euch das Leben zu retten? Ich meine, damit Ihr einem Ehrenmann Glauben schenkt?«
Das war es. Er hatte ihn gerettet, um sich sein Vertrauen zu erschleichen. Hatte Thaddäus ihn geschickt, um ihn zu überwachen? Oder gar, um ihn zu töten, sobald er das Pulver gefunden hatte? »Wie steht Ihr zur Kirche?«
»Wie soll ich zu ihr stehen? Ich
Weitere Kostenlose Bücher