Die sieben Häupter
Roswitha sein Wort gegeben, und aus für ihn selbst unerfindlichen Gründen wäre es ihm lieber gewesen, sein Versprechen nicht brechen zu müssen. Er warzwiegespalten, einerseits wünschte er sich nichts sehnlicher als Roswithas Erfolg in ihrer heiklen Mission, andererseits fürchtete er die Folgen. Und darum war er nach Repgow gekommen – um sein gegebenes Wort gegenstandslos zu machen. Außerdem haßte er es, untätig und auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Er mußte sich selbst kümmern. Doch es gab noch einen weiteren Grund für seine Anwesenheit im Dorf: Er machte sich Sorgen um Roswitha. Seitdem sie vor beinahe zwei Wochen aufgebrochen war, hatte er kein Wort von ihr gehört; anders als verabredet war keine Nachricht auf Burg Aken eingetroffen, seine Geliebte war wie vom Erdboden verschluckt. Und das machte ihm mehr zu schaffen, als er sich eingestehen wollte. Zugleich drängte ihn der Herzog, die Angelegenheit zu beschleunigen, und so hatte er sich von Brandenburg, wo Albrechts Hof sich augenblicklich aufhielt, nach Aken begeben, um Neuigkeiten zu erfahren.
Vergebens, wie sich nun herausgestellt hatte.
Bernhard seufzte, in Gedanken versunken, und starrte auf das geschmorte Hammelfleisch auf seinem Teller, das völlig versalzen und ungenießbar war. Wenn es allein nach seinen Gefühlen ginge, so könnte er sich die hübsche Witwe durchaus als Gattin vorstellen. Sie war ebenso klug wie willensstark, auch wenn es eher die niedere Minne war, mit der Roswitha ihn in den Bann gezogen und betört hatte. Doch zum Beiliegen heiratete man nicht, das ließ sich auch außerhalb der Ehe bewerkstelligen.
Draußen dunkelte es bereits, die Sichel des Mondes stand einen Fingerbreit über den Bauernkaten und Lehmhütten. Bernhard fuhr sich mit der Hand übers Kinn und erschrak. Ähnlich war es ihm vor wenigen Stunden gegangen, als er sein Spiegelbild im trüben Wasser der Taube gesehen hatte. Ohne Bart hatte er sich beinahe nicht erkannt, sein Gesicht war ihm wie das eines Fremden erschienen. Am Nachmittag, kurz vorseiner plötzlichen Abreise aus Aken, hatte er sich den Bart abrasiert und die Haare gestutzt, schließlich wollte er unter keinen Umständen erkannt werden. Doch ohne seinen roten Rauschebart kam er sich nackt vor, er war kein rechter Mann mehr. Er wußte, daß die Bartlosigkeit dem derzeitigen Geschmack bei Hofe entsprach, doch um Mode und Etikette scherte sich Bernhard nicht. So hatte es ihn auch wenig Überwindung gekostet, in die einfache, auf dem Markt erstandene Bauerntracht zu steigen, um seine Verkleidung zu vollenden. Er sah aus wie ein Stallbursche, ohne jedoch wie einer zu riechen. Aber zumindest hinsichtlich seiner Muskelkraft hätte er es mit jedem Knecht aufnehmen können.
Das Gasthaus war nur leidlich gefüllt. Ein ungepflegt aussehender Wirt mit Schmerbauch und feistem Schweinsgesicht unterhielt sich am Schanktisch mit einem jungen Burschen, der einen Humpen Porstbier vor sich stehen hatte und schon reichlich betrunken wirkte. In der hinteren Ecke, direkt neben dem offenen Herd, saßen einige Bauersleute beisammen, und an dem Tisch neben Bernhard hockte ein glatzköpfiges Hutzelmännchen mit ledriger, fast durchsichtiger Haut und langen, krallenartigen Fingern. Der Alte kam ihm bekannt vor, und Bernhard geriet ins Grübeln. War das nicht der verfluchte Quacksalber, der ihm auf dem Dreikönigsfest zu Dessau das ominöse Pulver zur Steigerung der Manneskraft angedreht hatte? Das Mittel hatte angeblich aus getrocknetem Bullenhoden, Alraunwurzel und irgendeinem geheimen Gewürz aus fernen Landen bestanden. Natürlich hätte Bernhard das Pulver nicht nötig gehabt, auf seine Lendengegend war noch immer Verlaß, doch die Neugier hatte schließlich gesiegt. Seine Manneskraft war allerdings keineswegs gesteigert worden, dafür hatte Bernhard einen ganzen Tag lang mit brennendem Hinterteil auf dem Abtritt gesessen. Er widerstand dem plötzlichen Drang, dem Alten als Vergeltung die Nase zuzerschlagen, und betrachtete statt dessen voller Interesse eine junge Bauernmagd, die in diesem Augenblick die Schenke betrat und sich suchend in dem verräucherten Schankraum umschaute. Das Weibsbild war ganz nach seinem Geschmack: drall, aber nicht fett, großgewachsen, aber nicht grobschlächtig. Und sie schien sich ihrer Wirkung aufs männliche Geschlecht durchaus bewußt zu sein. Sie grüßte den Wirt mit einem beiläufigen Nicken, überhörte das Pfeifen der Bauern, näherte sich dem Quacksalber, schaute
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