Die Sieben unterirdischen Könige
wie ein Wasserbecken
aussah, nur daß kein Tropfen drin war.
Es schien, als schliefe der Jäger, aber er atmete nicht. Als die Leute das Ohr
an seine Brust legten, stellten sie fest, daß das Herz stillstand.
„Er ist tot!” rief einer der Jäger.
„Der Tod muß eben erst eingetreten sein”, sagte Kuoto, „denn der Körper ist
noch weich und warm. Wie hat er aber die zwei Wochen ohne Essen und
Trinken leben können?”
Der traurige Zug mit dem leblosen Körper Ortegas machte vor dem blauen
Teil des Palastes halt, in dem Ukonda lebte. Der König selbst trat heraus,
um seinem treuen Jäger die letzte Ehre zu erweisen.
„Wann willst du deinen Mann bestatten?” fragte er die vom Kummer
gebrochene Alona, die Frau Ortegas.
„Morgen, wie’s der Brauch unserer Väter verlangt!” erwiderte sie.
„Ha, ha, ha”, lachte ein Mann im blauen Mantel schallend. Es war Doktor
Boril, der sich einen Weg durch die Menge bahnte.
„Wer will hier einen lebendigen Menschen bestatten? … Schaut nur, wie
frisch sein Gesicht ist! Sieht ein Toter vielleicht so aus? Da”, der kleine
dicke Doktor hob den Arm Ortegas, und als er ihn losließ, fiel er weich auf
die Bahre zurück. Alona blickte hoffnungsvoll und doch zweifelnd den
Doktor an, der zu beweisen fortfuhr, daß Ortega lebe und nur ohnmächtig
sei.
„Unsinn! Quatsch!” rief ein dröhnender Baß abgehackt, und ein baumlanger,
dürrer Mann trat heran, Doktor Robil, dem ein grüner Mantel lose von den
Schultern hing. „Dieser! Mann! ist! tot! wie! ein! Stein!” stieß er die Worte
einzeln hervor. Zwischen den beiden Ärzten entbrannte ein Streit, der mit
wissenschaftlichen Beweisen gespickt war. Je nachdem, wer von den beiden
recht zu haben schien, schwankte Alona zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Zuletzt setzte sich die abgehackte Stimme Doktor Robils durch.
Den kleinen Boril von oben ansehend, dröhnte er: „Ich! sage! daß! dieser!
Mann! morgen! bestattet! werden! muß!”
In diesem Augenblick regte sich aber der „Tote” und schlug die Augen auf.
Die Menge wich entsetzt zurück, nur Alona sank auf die Brust ihres Mannes
nieder und begann ihn schluchzend zu küssen.
„Ha, ha, ha! Ho, ho, ho!” lachte aus vollem Halse Boril. „Der hochverehrte
Doktor Robil hätte beinahe einen Lebenden begraben! Und das will ein
Mann der Wissenschaft sein!”
Der blamierte Robil gab sich aber nicht geschlagen:
„Es! bleibt! noch! zu beweisen! daß! er! lebt!” rief er und verließ, sich
würdevoll in seinen grünen Mantel hüllend, den Platz. Ein paar Leute
lachten bei den letzten Worten Robils, aber Doktor Boril machte ein
besorgtes Gesicht. Ortega sprach kein Wort, er erkannte niemanden, auch
nicht seine Frau, und verstand nicht die teilnahmsvollen Worte, die König
Ukonda höchstpersönlich an ihn richtete.
„Seltsam, sehr seltsam!” murmelte Doktor Boril. „Dieser unstete Blick, wie
bei einem Neugeborenen, diese unregelmäßigen Bewegungen der Arme und
Beine! Interessant, höchst interessant!” erregte sich der Doktor. „Der Fall
könnte sich als sehr wertvoll für die Wissenschaft erweisen. Liebe Frau!”
wandte er sich an Alona. „Ich bin bereit, Ihren Mann zu behandeln, und
zwar völlig unentgeltlich.”
Der gutmütige Doktor achtete nicht auf die Dankesworte der Frau und
befahl, Ortega nach Hause zu tragen, der, als man ihn auf die Beine gestellt
hatte, keinen Schritt tun konnte. Borilf olgte der Bahre.
DAS SCHLAFWASSER
Doktor Boril verbrachte Tag und Nacht am Lager Ortegas, der in vielem
einem Säugling glich. Er wußte nicht, wie man ißt, und man mußte ihn mit
dem Löffel füttern. Er sprach kein Wort und lallte nur. Er verstand nicht,
was man zu ihm sagte, und war wie taub, wenn man ihn beim Namen
rief …
„Ein seltsamer Fall”, murmelte Doktor Boril und rieb sich die Hände. „Das
sollte man den oberirdischen Doktoren erzählen! Ich wette meinen Kopf,
daß bei ihnen dergleichen noch nie vorgekommen ist!”
Die Wiederherstellung der verlorenen Fähigkeit ging bei Ortega erstaunlich
schnell voran. Schon am Abend sagte er „Papa” und „Mama”, was aus dem
Munde des bärtigen Mannes sehr komisch klang, und machte die ersten
zaghaften Schritte an der Hand seines Sohnes. Am folgenden Tag war seine
Sprache völlig normal und das Bewußtsein klar. Kuoto, sein Gehilfe, erzählte ihm stundenlang allerlei Jagderlebnisse, die allmählich im Gedächtnis
Ortegas wieder auflebten. Nach einem weiteren Tag angespannten
Weitere Kostenlose Bücher