Die sieben Weltwunder
zu beweisen.
Kupferstich von Johann Fischer von Erlach
F ÜNFTES K APITEL
D AS M AUSOLEUM VON H ALIKARNASSOS
Viel ist über Maussolos, den 353 v. Chr. verstorbenen Herrscher von Karien, des an der Südwestküste Kleinasiens gelegenen Landes, und sein zu den Sieben Weltwundern zählendes Grabmal – Mausoleion oder Mausoleum genannt – nicht bekannt. Sein Reich war ein Kleinstaat unter persischem Einfluss, seine Könige waren Statthalter des persischen Großkönigs.
E IN PRINZIPIENLOSER T YRANN
Karien, dieses felsige Land südlich des Flusses Maiandros, mit einer reichgegliederten Küste mit tiefen Buchten, im Rücken von mächtigen Gebirgen geschützt, war ein idealer Lebensraum für die zur See fahrenden Karer. Der persische König Dareius, den fremde List und eigener Mut im Jahr 522 v. Chr. auf den Thron gehoben hatten, zählte auch Karien zu den ihm tributpflichtigen Ländern.
Doch zweihundert Jahre später tat Maussolos, seit 377 v. Chr. Herrscher von Karien, als persischer Provinzstatthalter längst, was ihm gefiel. Im Jahr 362 nahm er sogar an der Revolte aller von Persien unterjochten Küstenvölker, die mit Ägypten verbunden waren, teil. Ein Jahr später begleitete er den persischen König Artaxerxes II. auf seiner Strafexpedition gegen die Ägypter. Von einer besonderen Skrupelhaftigkeit konnte bei ihm keine Rede sein.
Maussolos nannte sich selbst Tyrann, die Bevölkerung seines Landes war abhängig von den Fähigkeiten, aber auch vom Wohlwollen des Herrschers. Alles, was Maussolos in seinem persönlichen Ehrgeiz, seiner Habgier, seinem Machthunger unternahm, tat er einzig und allein zum eigenen Vorteil. Es war überall und stets spürbar, dass ihn die Freiheit und das Wohlergehen seines Volkes nicht sonderlich interessierten. Was die Abneigung und den Haß gegen nur noch schürte: die Erhöhung der Steuern, die Verpflichtung junger Männer zum Kriegsdienst, die Niedertracht und Prinzipienlosigkeit, die das Land zur Beute seines Herrschers machte.
Immer wieder kam es zu Aufständen und Attentaten, vierundzwanzig Jahre lang häuften sich Schreckensbotschaften und Kriegsberichte, wurden Intrigen und Komplotte angezettelt. Doch der Gewaltherrscher Maussolos überstand alles. Seine Unberechenbarkeit war legendär – er besaß keinerlei Konzept oder Methode, fasste seine Entscheidungen willkürlich und spontan. Er scherte sich nicht um die Meinung anderer. Sogar gegen seine Nachbarn zog er in den Kampf; er veranlasste die Inseln Rhodos, Kos und Chios, abtrünnig von Athen zu werden, unterstellte sie dann seiner Herrschaft und war so dreist, Krieg gegen Milet, die mächtige und schöne Stadt an der Mündung des Maiandros mit ihren vier Häfen, zu führen und auch gegen das reiche Ephesos zu Felde zu ziehen. Er unterwarf das freiheitsliebende griechische Volk von Ionien, an der Küste zwischen Aiolien und Karien gelegen, und einen Teil des nördlich seines Landes gelegenen Lydien. Und auch das an edlen Hölzern und Weinen reiche Lykien machte er sich tributpflichtig.
D IE H AUPTSTADT H ALIKARNASSOS
Dem König war die abseitige Lage seiner Geburtsstadt, der Residenz Mylase im Innern des Landes, ein Dorn im Auge. Er verlegte seinen Regierungssitz nach Halikarnassos ans Meer, an den Abhang eines steilen Felsens an der Keramischen Meeresbucht. Hier entstand die neue Hauptstadt: ein Palast, eine Festung, eine große Straße mit Stadttoren wie in Babylon, dazu Theater und Bibliothek, ein Marktplatz mit Arkaden und Versammlungsplätzen, Badehäuser und Wasserkanäle. Und ein geheimer, durch eine Insel geschützter Kriegshafen, der es dem König erlaubte, seine Flotte zu mobilisieren, ohne dass ein feindliches Auge es bemerkte.
Maussolos war begeistert über die Möglichkeit einer theatralischen Inszenierung seiner neuen Stadt: Wie das Zuschauerrund eines antiken Theaters umschloss Halikarnassos die Doppelbucht. Von hier aus würde man die ein- und ausfahrenden Schiffe beobachten können. Wer immer vom Meer her sich der Stadt näherte, müsste vom Glanz der wie Theaterränge terrassenförmig angelegten Stadt überwältigt sein, die Staffelung der neuen Bauten, die herrlichen Paläste und Tempel bewundern müssen. Als grandiose Mitte der neuen Residenzstadt aber sollte eine Säulenhalle im griechischen Stil, ein mit Figuren geschmückter Tempel stehen, der nach Lage, nach Größe und Ausstattung noch in fernsten Zeiten bestaunt werden würde: das Grabmal des Königs. Dabei war die gesamte Stadt eigentlich sein
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