Die sieben Weltwunder
dieses Preisausschreibens sind überliefert: Die Architekten und Bildhauer Satyros und Pytheos wurden als Schöpfer des Gesamtentwurfs ausgezeichnet; sie bekamen den Auftrag. Die beiden haben ein Buch über ihr Bauwerk geschrieben, das jedoch leider verlorengegangen ist. Doch scheinen zahlreiche Einzelheiten aus diesem Buch in die klassische Überlieferung eingegangen zu sein.
Maussolos hat die Fertigstellung seines Grabmals nicht mehr erlebt. Seine Regierung währte vierundzwanzig Jahre, als er kinderlos starb. Nach dem Tod des Königs machte Artemisia Druck auf die beiden griechischen Architekten sowie berühmte Bildhauer, voran den großen Skopas: Das Grabmal nach den Plänen ihres geliebten Bruders und Gemahls sollte unverzüglich fertiggestellt werden.
Doch auch Artemisia blieben nur zwei weitere Jahre, sie starb 351, ehe das Mausoleum eingeweiht war. Die Arbeiten sollen ins Stocken geraten sein. Doch hätten, so berichtet es Plinius, die beteiligten Künstler – neben Skopas vor allem Bryaxis, Timotheus und Leochares, es als Pflicht und Ehre angesehen, ihren Auftrag zu Ende zu führen. Nur ein Jahr später war das Grabmal fertiggestellt, mit Kunstwerken, welche die Welt in Staunen versetzten: Die Skulpturen der Götter, der mythologischen Gestalten und Sieger der olympischen Wettkämpfe wetteiferten in Schönheit und Vollkommenheit mit den Marmorreliefs der Amazonenkämpfe, auf denen das Leben der Antike zum farbigen Spiegelbild der Zeit wurde.
Die Entstehung des glanzvollen Denkmals fiel in eine Zeit kultureller Blüte, eine jener bemerkenswerten Abschnitte der Geschichte, in der sich ungewöhnliche Begabungen häufen. Die Konkurrenz der Künstler hat das Bauwerk belebt, die Großzügigkeit des Königs, dem das Beste gerade gut genug schien, die größten lebenden Künstler des griechischen Kulturkreises inspiriert. Der Gesamtentwurf war in besonderer Weise geglückt zu nennen: Er verwirklichte als Ganzes die Bauidee und ließ darüber hinaus – wie Jahrhunderte später beim Petersdom – den ausgewählten Künstlern genügend viel Freiheit für ihre kreativen und inspirierenden Ideen. Sie konnten sich miteinander messen, ohne sich deshalb im Wege zu stehen.
Das Mausoleum war von ungeheurer Symbolkraft: Der Herr und Herrscher ist über dem Widerstreit von Chaos und Kosmos, von Wirrnis und Ordnung, von Kultur und Natur, dargestellt auf den umlaufenden Friesen, ohne Freitreppe oder Aufgang in unmittelbarer Nähe des Himmels beigesetzt. Der zu den Göttern erhobene, über Land und Meer Thronende ist den Menschen und der Erde entrückt, für immer unerreichbar, so wie sein Ruhm, wenn sein Körper längst zu Staub zerfallen ist.
Das Volk von Halikarnassos, bei dem der Herrscher nie beliebt gewesen war, verlor jedoch das Interesse an diesem Monumentalbau. Und es wirkt wie eine Ironie der Geschichte, dass achtzehn Jahre später Alexander der Große auf seinem Feldzug nach Asien zwar Halikarnassos von der persischen Herrschaft befreite, die Stadt in einem erbitterten Kampf nahezu zerstört wurde, ausgerechnet das Grabmal jedoch unbeschädigt blieb. Es gibt sogar Vermutungen, das Mausoleum sei noch gar nicht ganz fertig gewesen, sondern erst Alexander habe seine Fertigstellung veranlasst.
D IE B AUKONZEPTION
Das Grabmal wurde wiederholt beschrieben, unter anderem von Plinius in seiner »Naturalis Historia«. Dieser römische Flottenkommandeur unter Kaiser Vespasian und enzyklopädische Schriftsteller, der sein Wissen aus eigener Anschauung und aus zweitausend Büchern anderer Autoren geschöpft hat, zeichnete präzise Maße auf: »Das Mausoleum mißt südnördlich je sechsunddreißig Fuß, ist an den Fronten etwas kürzer und wird im ganzen Umfang mit vierhundertelf Fuß gemessen. Es erhebt sich zu einer Höhe von fünfundzwanzig Ellen und ist mit einem Umgang von sechsunddreißig Säulen umgeben, über dem sich eine vierundzwanzigstufige Pyramide erhebt, die ein Viergespann aus Marmor krönt.«
Bildhaft-phantasievolle Darstellung des Mausoleums.
(Kupferstich von Marten van Heemskerck)
Übersetzen wir diese antiken Maßangaben in heutige Proportionen, lässt sich dieser erste zweigeschossige Monumentalbau der griechischen Baukunst, der in einer Gesamthöhe von fünfunddreißig Meter präsentierte, mit ziemlicher Präzision rekonstruieren: Das Fundament, in den Felsgrund eingebettet, stellte ein Rechteck von 32,94 Metern in der Breite und 38,75 Metern in der Länge dar. Darauf stand ein Grundbau mit sechs
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