Die sieben Weltwunder
Die Johanniter, Verteidiger des Heiligen Landes und Kämpfer gegen die Türken, waren vor ihren Gegnern nach Rhodos geflüchtet, um von hier aus mit einer mächtigen Flotte ihren Kampf gegen die Ungläubigen fortzusetzen. Vor der erdrückenden Übermacht der Türken hatte der Ritterorden auch die undankbare Aufgabe, als Nachhut den Rückzug zu decken, so lange als möglich zu halten, was irgendwie zu halten war. Im Jahre 1402 nahmen sie Halikarnassos als strategisch wertvollen Flottenstützpunkt in Besitz und errichteten an der Einfahrt zum Hafen ein Kastell. Die Johanniter sind, wie man auch auf Rhodos feststellen kann, beim Bau ihrer Befestigungen nicht wählerisch gewesen. Zahlreiche antike Tempel wurden nach und nach demoliert und als Steinbrüche genutzt. Auch die herumliegenden Trümmer des Mausoleums verwendeten die Ritter zum Bau: Sie bauten die Hafenfestung Petronia, das heutige Fort Budrun, immer weiter aus, nicht zuletzt mit den Steinen des einstigen Weltwunders. Sie rissen nieder, was niederzureißen war, und schleppten weg, was sie wegschleppen konnten. Die Ritter schichteten die kostbaren Quader zur Verteidigung auf, verstärkten ihre Bastionen, besserten strategisch wichtige Mauern damit aus. Aus den gestürzten Säulen drehten die Tempelritter Steinkugeln für die Schleuderanlage der Wälle. Die zugerichteten Steine bauten sie in die Mauern der Hafenfestung ein.
Siebzig Jahre, nachdem die Johanniter Halikarnassos für ihre Zwecke umgebaut hatten, war auch das Mausoleum nur noch Ruine. Die weltberühmten Skulpturen waren zu Kalk gebrannt, die Säulenreste abgetragen, die Marmorreliefs herausgebrochen und die reich verzierten Wände zerstört und abgetragen.
W IEDERENTDECKUNGEN
Als Johann Fischer von Erlach in seinem »Entwurf einer historischen Architektur« das Mausoleum darstellte, konnte er sich nur noch an die antike Überlieferung halten. Es waren kümmerliche Reste vom einstigen Monumentalbau übriggeblieben: Das einzige, was die Ordensritter nicht zerstört hatten, waren dreizehn Reliefplatten mit Darstellungen kämpfender Amazonen – der sogenannte Amazonenfries –, die sie in die Mauern des Kastells eingebaut hatten. Aus welchen Gründen sie es unzerstört ließen, ist unklar.
Mitte des 17. Jahrhunderts wußte jedenfalls niemand mehr, woher diese Platten stammten. Schließlich setzte sich die Ansicht durch, dass die Reliefs zum Außenfries des Mausoleums gehört haben mussten. Beschreibungen und grafische Zeichnungen erschienen, und gegen Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Europa, vor allem im von der Antike begeisterten England der Wunsch, diese einmaligen Kunstwerke vor dem Verfall zu retten, so stark, dass der britische Gesandte in Konstantinopel, Stratford Canning, dem Sultan den Wunsch vortrug, er möge die Erlaubnis erteilen, die Reliefs aus dem Kastell entfernen zu können. Der Sultan entsprach diesem Wunsch und machte die Skulpturen dem Museum in London zum Geschenk, wo sie heute noch zu besichtigen sind.
Das Rätsel über Standort, Grundriss und Form des Mausoleums war damit allerdings noch nicht geklärt. Als der englische Forscher Sir Charles Newton 1853 eine erste Reise nach Halikarnassos unternahm, begann eine neue Phase in der Erforschung dieses Weltwunders. Newton entdeckte an den Kastellmauern Löwenköpfe, deren Material und künstlerische Vollendung keinen Zweifel darüber ließen, dass sie vom Mausoleum stammten. Diese Funde veranlassten die britische Regierung, eine archäologische Expedition auszurüsten und nach Halikarnassos zu entsenden.
Die genauen Angaben des römischen Baumeisters Vitruv, dem nicht nur Caesar und Augustus große Aufträge erteilt hatten, sondern der auch Bücher über die Grundlagen und die Geschichte der antiken Baukunst schrieb, ermöglichten die Auffindung der Fundamente, auf der das Mausoleum stand: Zwischen Agora und Arestempel konnten die Forscher schließlich seinen Standpunkt fixieren.
Die Fundstücke setzten die Welt in Erstaunen. Vor allem die Figur des Maussolos selbst, die man aus dreiundsechzig Bruchstücken wieder zusammensetzen konnte, und die seiner Schwester und Gemahlin. Außerdem Löwen – die einstigen Wächter des Heiligtums – und Tierköpfe, Säulenreste und eine ganze erhaltene Säule, Fragmente eines Pferdes, ein riesiges steinernes Wagenrad sowie verschiedene Männerköpfe aus Stein.
Diese Skulpturen und Architekturstücke stammen wohl ausnahmslos vom oberen Aufbau des Mausoleums. Sie müssen durch ein Erdbeben
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