Die sieben Weltwunder
sorgfältig war der Leichnam einbalsamiert.
Mit Alexandria entstand eine neue moralische Welt, mit dem Menschen und seinem Wissen im Mittelpunkt. Es war Ptolemaios, ein Verwandter des großen Königs und ohne Zweifel der begabteste unter seinen Generälen, der nach dem Tod Alexanders aus dem Weltreich für sich Ägypten mit der Hauptstadt Alexandria reklamierte und hier die Dynastie der Ptolemäer begründete. Sie bestand dreihundert Jahre lang, bis sie unter Kleopatra in den Auseinandersetzungen mit Rom ihr Ende fand.
Der neue König von Ägypten hat seinem Vorgänger ein glanzvolles Grabmal errichten lassen. Es ist verschollen, man vermutet es unter der Moschee, die nach der Eroberung Ägyptens durch die Araber dem Propheten Daniel erbaut worden ist.
Vor allem unter Ptolemaios I. wurde Alexandria zu einem Mittelpunkt der antiken Welt. Er gründete das Museum – ein Zentrum für die neu entstehenden exakten mathematischen und physikalischen Wissenschaften –, an das sich botanische und zoologische Gärten anschlossen, astronomische Observatorien mit Steinquadranten und Fernrohren, eine Anatomieschule zur Erforschung des menschlichen Körpers. Und er sorgte auch für den raschen Ausbau der größten Bibliothek der antiken Welt, die mit ihren unzähligen Buchrollen entscheidend für die Verbreitung griechischen Geistes in der Welt des Mittelmeeres wurde.
Eine neue Weltstadt, mit neuen Ideen, neuen Perspektiven, offen für Einflüsse verschiedenster Art, die auch mit uralten Traditionen brach. Staunend und lerneifrig stürzten sich die Ägypter in das aufregende Abenteuer einer immensen Erweiterung ihrer Kultur: In der Schule wurden nicht mehr nur Kopfrechnen, Sterndeutung und der Mondkalender gelehrt; ein abgewandeltes griechisches Alphabet ersetzte die Hieroglyphenschrift, die schon wenige Generationen später nur noch Spezialisten verstanden, die mit der Zeit ausstarben.
Stadtplan des heutigen Alexandria
.
Von Alexander wohl schon bei der Anlage der Hafenstadt geplant, wurde der Bau des berühmten Leuchtturmes erst unter Ptolemaios um 300 v. Chr. auf einer kleinen, dem Nil-Delta vorgelagerten Insel, die durch einen Damm mit dem Festland verbunden war, begonnen. Und unter dessen Sohn Ptolemaios Philadelphus, dem zweiten Herrscher dieser Dynastie, um 279 v. Chr. nach zwanzigjähriger Bauzeit vollendet.
Ptolemaios II. nahm die Fertigstellung des technischen Wunderwerks zum Anlass, das erste panhellenische Nationalfest mit großem Pomp zu feiern. Poseidippos schrieb anlässlich dieses Tages:
Darum zeigt sich bei Tag nun
aus weiter Ferne
der Turm schon
,
welcher gerade und steil ragt in den Äther hinauf
.
Doch auch der Schiffer
,
der ganznächtig fährt auf den Wogen des Meeres
,
kann an der Turmspitze sehn
mächtig ein Feuer in Glut
.
Den »Pharos von Alexandria«, gefeiert als »kühnes Meisterwerk der Baukunst«, in die Liste der Sieben Weltwunder aufzunehmen, schien nur noch eine Formsache zu sein.
Das Feuer dieses Leuchtturms kreiste, um den Schiffen und einer neuen Zeit den Weg zu weisen.
E IN T RIUMPH DER T ECHNIK
Für Alexander und auch Ptolemaios war die Zeit der großen Tempel und Mysterien vorüber, vorbei auch die Zeit der Königsgräber, zu Ende das Zeitalter der unbedingten Götterherrschaft, vergangen die Macht der Dichter und Seher. Das geheimnisvolle Maß der Schönheit wich der Vernunft des Menschen; sein Wille, die Dinge dieser Welt zu ergründen, wurde zum Zentrum dieser neuen Leitkultur. Und das neue Wunder dieser Welt wurde der Pharos von Alexandria: ein Triumph der Technik und bis heute Vorbild aller Leuchttürme der Welt.
Was hat die Menschen an diesem Turm so fasziniert? In erster Linie war es die Architektur. In mancherlei Hinsicht ähnelt er dem Eiffelturm in Paris. Schon die immense Höhe von einhundertdreißig Metern – bei einem Fundament von gerade einmal neunhundert Quadratmetern – begeisterte; sie entspricht einem Wolkenkratzer mit siebenunddreißig Stockwerken. Diese Proportionen gaben dem Gebäude eine so außerordentlich schlanke und elegante Wirkung, dass mancher um seine Standfestigkeit fürchtete. Doch was konnte dem Leuchtturm schon passieren, stand er doch unter dem besonderen Schutz von Isis, Schwester und Frau des Osiris, Symbol der Naturkräfte.
Die Nutzung als Tag- und Nachtwarte war jedoch das eigentlich Aufsehenerregende an diesem Projekt. Bislang war es unüblich für Schiffe, nach Eintritt der Dunkelheit in See zu stechen oder vom Meer in den
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