Die sieben Weltwunder
wie der David von Florenz.
Es gibt sogar Briefmarken mit dem Bild des Kolosses. Immer wieder erregen Pläne Aufsehen, eine Nachbildung des verschwundenen Weltwunders an Ort und Stelle aufzurichten. Eine möglichst originalgetreue Nachbildung, freilich nicht mehr aus schwerem Erz, sondern aus leichtem Aluminium. Doch ein nachgebauter Koloss kann nur enttäuschen; welche Gestalt man ihm auch immer geben würde, die Phantasie wäre eingeengt, auf ein endgültiges Bild festgelegt, das mit der Realität der antiken Vergangenheit nichts zu tun hat.
Von anderen Meisterwerken rhodischer Bildhauerkunst jedoch können wir uns noch heute einen Eindruck verschaffen: Die berühmte Laokoon-Gruppe, deren Marmorkopie heute in den Vatikanischen Museen bewundert werden kann, soll in der Antike auf dem Marktplatz von Rhodos gestanden haben. Die Siegesgöttin Nike von Samothrake steht im Louvre in Paris, der Farnesische Stier im Museum von Neapel. Und die Quadriga, die heute die Basilika von San Marco in Venedig schmückt, soll ebenfalls aus Rhodos stammen.
Die Geschichte der Insel blieb wechselhaft. Nach dem Wiederaufbau errang Rhodos zwar noch einmal Macht als Handels- und Schifffahrtsnation, doch eine berühmte Universität, eine Rhetorik- und Philosophenschule zeugten eher von geistiger als von politischer Wirkung. In den folgenden zweitausend Jahren wurde Rhodos von Römern, Arabern, Kreuzfahrern und Türken beherrscht, bis es im Jahr 1947 zu Griechenland kam und als »Roseninsel« mit ihrem herrlichem Klima und ihren Schönheiten der Natur ein Magnet für zahllose Besucher ist, die gern bereit sind, sich von dem glitzernden Meer und dem leuchtenden Himmel vor antiker Kulisse betören zu lassen.
Doch den Koloss, das berühmte Weltwunder, das Wahrzeichen der Insel, gibt es nur noch als kleine phantasievolle Replik, bequem im Koffer nach Hause zu transportieren. Kolossal, wie er einmal war, ist er nicht mehr.
Kupferstich von Johann Fischer von Erlach
S IEBTES K APITEL
D ER L EUCHTTURM VON A LEXANDRIA
Der großartige Leuchtturm auf der Insel Pharos vor Alexandria war im 3. Jahrhundert v. Chr. eine so außergewöhnliche technische Neuheit, dass er in die Reihe der Sieben Weltwunder aufgenommen wurde und die Festungsmauern von Babylon von dieser Liste verdrängte.
Die alten Fundamente des Pharos sind – wenn auch vom Meer umspült – noch deutlich zu erkennen. Im Wasser liegen Reste und Trümmer des alten Leuchtturms: einige Granitquader, alte Säulenreste von den Kastellmauern, ein Säulenkapitell. Bereits in der Antike war die Insel Pharos durch einen 1.300 Meter langen Damm mit dem Festland verbunden, der im Laufe der Zeit ständig verbreitert wurde; heute ist er ein eigener Stadtteil.
Im Gegensatz zu manchen zweifelhaften antiken Überlieferungen sind die Berichte über den Pharos von Alexandria glaubhaft. Vor allem Kallimachos, dem Leiter der berühmten Bibliothek, ist es zu verdanken, dass sich der Leuchtturm heute mit ziemlicher Genauigkeit rekonstruieren lässt. Auch auf alexandrinisch-römischen Münzen, die heute im Britischen Museum in London zu sehen sind, ist der Wunderturm abgebildet, mal mit einem Schiff, mal mit seiner Schutzgöttin Isis. Doch sind solche Abbildungen enttäuschend, denn sie verraten natürlich nichts über die imposante Höhe und den eleganten Eindruck des Bauwerks.
A LEXANDER DER G ROSSE
Athena, die kluge Tochter des Zeus und Beschützerin aller griechischen Städte und »dieses an Ruhm, an Kriegsgewalt, an Poesie, an jeder Macht herrlich begabten Landes«, verbarg ihre Augen voll Trauer, als Athen und Sparta im Jahr 431 v. Chr. einen Streit um die Vorherrschaft in Hellas vom Zaun brachen. Dreißig Jahre dauerte der Peloponnesische Krieg, bei dem die jungen Männer auf den Schlachtfeldern starben, bis die Makedonen unter ihrem jungen Königssohn Alexander dem vereinigten Heer Athens und Thebens gegenüber standen und schließlich die Führung des Panhellenischen Bundes übernahmen.
Wir sind dem Kometen Alexander, diesen »mit glänzenden Gaben ausgestatteten Liebling der Götter« (Peter Bamm), bei unserer imaginären Reise zu den Weltwundern wiederholt begegnet: Er stand im Schatten der Pyramiden, er bewunderte die Sehenswürdigkeiten von Babylon, er bot an, die Kosten für den Wiederaufbau des Artemis-Tempels zu tragen, er betrieb die Fertigstellung des Mausoleums zu Halikarnassos, er erwies dem Zeus des Phidias zu Olympia seine Reverenz. Alexander der Große hat keine der
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