Die siebte Gemeinde (German Edition)
entsprechenden Lustlosigkeit der Wachen würden sie ohne großes Aufsehen passieren können. Wer glaubte schon an zwei verrückte Gestalten, die freiwillig und ohne Not in eine brennende und im Chaos versinkende Stadt marschieren wollten?
Ihre Schwerter griffbereit und sichtlich angespannt, näherten sie sich dem Stadttor. Einer der Männer hatte sie bereits fokussiert und stellte sich breitbeinig unter dem Torbogen auf. Kurz bevor sie ihn erreichten, vernahmen sie auf der anderen Seite der Mauer aufgeregtes Stimmengewirr und das hohle Schlagen von Metall auf Metall. Arusch blickte nach oben und sah, dass die Bogenschützen von der Vorderseite auf die Rückseite wechselten. Pfeile zischten in Sekundenschnelle in die Stadt. Die Männer weiter hinten griffen hektisch nach ihren Waffen und rannten los. Der Mann unter dem Torbogen drehte sich um, zog sein Schwert und rannte in die Stadt. Nach wenigen Metern blieb er stehen, rief Arusch und Pardus ein paar ungestüme Worte zu und folgte anschließend seinen Kameraden. Arusch blickte fragend zu Pardus und zuckte mit den Schultern.
»Er sagte, jemand überfällt die Vorratskammer neben dem Tor. Wir sollen ihnen helfen.«
»Das ist perfekt«, lächelte Arusch. »Einfacher können wir es nicht bekommen.«
Er zog sein Schwert und rannte los. Pardus starrte ihm verwundert hinterher. Nach einem Bruchteil des Überlegens zog auch er sein Schwert und tat es seinem Begleiter widerwillig nach. Hinter der Mauer angekommen wurden sie Zeuge eines ungleichen Kampfes. Eine Handvoll Männer, wenige überhaupt bewaffnet, stürmten blindlings auf eine winzige Holzhütte zu. Diejenigen, die nicht schon von den Pfeilen vor ihrem Ziel zur Strecke gebracht wurden, hatten gegen die Soldaten nicht den Hauch einer Chance. Einer nach dem anderen wurden sie mit einem kampferprobten Hieb von den Rittern niedergestreckt.
Arusch und Pardus blieben in sicherer Entfernung stehen. Arusch suchte nach einer günstigen Gelegenheit und schaute sich misstrauisch um. Ob sie wollten oder nicht, sie waren den achtsamen Blicken der Bogenschützen ausgesetzt. Würden sie sich zu schnell entfernen, könnte dies als Fahnenflucht angesehen werden. Aus seiner eigenen Zeit beim Militär wusste er über die Schärfe von Kriegsgesetzen. Fahnenflüchtige wurden gnadenlos und auf der Stelle hingerichtet.
»Was sollen wir jetzt tun, Arusch?«, rief Pardus aufgeregt.
»Warte noch«, antworte dieser und hob seine Hand. »Wir bekommen unsere Gelegenheit.« Plötzlich schlug er seinem Kameraden in die Rippen. »Schau, dort!«
Mitten im Gefechtsgetümmel flüchtete einer der Aufständischen zurück in die Stadt.
»Sag den Soldaten, dass wir ihn stellen werden«, befahl er und rannte dem Flüchtling mit erhobenem Schwert und einem Aufschrei hinterher.
Bereits nach wenigen Schritten hörte er neben sich den keuchenden Atem von Pardus. Trotz seiner Körperfülle war dieser flink unterwegs und hatte schnell zu Arusch aufgeschlossen. Nebeneinander herlaufend folgten sie dem Mann durch die verwinkelten Straßen. Ängstlich schaute sich der Verfolgte immer wieder um und schlug hinter dem nächsten Haus einen erneuten Haken. Mit einem Mal blieb Pardus unvermittelt stehen.
»Halt hier«, rief er und zog ruckartig an Aruschs Kleidung.
»Was ist?«
»Wir sind weit genug gelaufen. Niemand ist uns gefolgt. Wenn wir hier nach links gehen, kenne ich einen sicheren Weg.« Er schaute Arusch ungläubig an. »Wie lange wolltest du ihn verfolgen? Bis wir ihn gestellt haben?«
»Selbstverständlich nicht«, lächelte Arusch und klopfte Pardus auf die Schulter. »Gut gemacht. Das war gerade sehr mutig. Komm, lass uns von hier verschwinden.«
Nachdem sich ihre Aufregung gelegt hatte, konnte Arusch erstmals einen Blick auf den Zustand der Stadt werfen. Die Häuser, die sich in der Nähe der Stadtmauer befanden, bestanden nur noch aus schwarzen verrußten Holzgerippen. Riesige Aschehaufen zierten den Ort, wo Menschen noch vor Tagen ihr Zuhause gehabt hatten. Selbst von den aus Stein erbauten Häusern waren nur noch verkümmerte Mauerreste inmitten von Ruß und Schutt übrig. Noch Tage nach dem Brand konnte man die Hitze spüren. Arusch vermochte sich nicht vorzustellen, was oder wer unter diesen Trümmern zum Vorschein kommen möge, sollte sich jemals einer die Arbeit machen, das alles beiseitezuschaffen. Zwar konnte man mit bloßem Auge keine Leichen erkennen, doch war der ekelerregende Verwesungsgeruch allgegenwärtig.
»Wo gehen wir
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