Die siebte Gemeinde (German Edition)
unbeirrt seiner Bestimmung. Da er weiterhin vorsichtig sein musste, kam er nicht so schnell voran, wie er zu Beginn gehofft hatte. Nach vielen unfreiwilligen Umwegen hatte er widerwillig beschlossen, den mittlerweile angebrochenen Winter in Angora zu verbringen. Marodierende Seldschukenbanden zwangen ihn dazu.
Erst als er sicher war, dass kein weiterer Schneefall seine Reise beeinträchtigen würde, verließ er Angora. Vor wenigen Tagen fand er schließlich, nachdem er mit einem Handelsschiff übersetzen konnte, sein Quartier auf der Anhöhe vor Konstantinopel, wo er gestern letzten Endes auf Pardus traf.
Nun, nach langer Zeit der Entbehrungen, sengender Hitze sowie Schneestürmen, war er endlich an seinem vorläufigen Ziel angelangt. Hier musste er nun tatenlos mit ansehen, wie die Stadt, auf die er seine gesamte Hoffnung gesetzt hatte, scheinbar im Chaos versank. Die gewissenlosen Raubzüge der Ritter stimmten ihn nachdenklich. Wahrscheinlich, so vermutete er, machten sie nicht einmal vor den Heiligtümern der Kirchen Halt und plünderten alles, was ihnen in die Quere kam. Morgen würde er sich Gewissheit verschaffen.
›Hoffentlich‹, so dachte er, während er ein paar Eintragungen über den vergangenen Tag anfertigte, ›sind die beiden Taugenichtse dort drüben eine Hilfe für mich.‹ Erst spät in der Nacht legte er sich schlafen.
Pardus, der die Nacht in Narses’ Haus verbracht hatte, weckte Arusch am frühen Morgen. In einem karg eingerichteten Raum, in dem nichts weiter als ein ramponierter Holztisch, zwei Stühle sowie ein Schemel standen, nahmen sie zu dritt ein spärliches Frühstück zu sich. Permanent blickten Pardus und Narses auf Arusch und warteten versessen auf das, was dieser ihnen nun endlich offenbaren würde. Keiner getraute sich, eine Frage zu stellen. Arusch dagegen ließ sich von den Gaffern nicht beeindrucken und kaute seelenruhig an seinem Graubrot.
»Was wisst ihr über christliche Reliquien?«, fragte er schließlich nach seinem letzten Bissen.
Keinen von beiden schaute er direkt an, sondern blickte nichtssagend vor sich auf den Tisch. Die Gefragten sahen sich verdutzt an.
»Was meinst du mit christlichen Reliquien?«, meinte Pardus. »So was wie Kreuze oder Gegenstände von irgendwelchen Heiligen?«
»Nein, ich suche etwas, was von Jesus Christus stammt. Keine Kreuze oder Statuen.«
»Und was genau?«
»Habt ihr schon einmal etwas von einem Tuch gehört?«, antwortete Arusch. »Ein Tuch mit einem Gesicht darauf?«
Wieder schauten sich Pardus und Narses an. »Mir hat jemand mal erzählt«, sagte Pardus, »dass sich in einem Palast ein Stück des Kreuzes befinden soll, an das man Jesus geschlagen hat, aber von einem Tuch mit einem Gesicht darauf habe ich bisher noch nichts gehört.«
»Ich auch nicht«, ergänzte Narses. »Aber ich kann mich in der Stadt umhören, vielleicht weiß jemand etwas. Soll das ein Bild, eine Zeichnung, von einem Gesicht sein?«
»Nein, es handelt sich um das Grabtuch von Jesus Christus, und sein Gesicht hat sich darauf abgebildet«, erklärte Arusch und schaute ungeduldig auf Narses. »Du musst dich beeilen, Narses, wir haben wahrscheinlich nicht viel Zeit. Womöglich sind schon sämtliche Paläste und Kirchen von den Rittern geplündert worden. Eigentlich hatte ich gehofft, hier mit dem König oder dem Patriarchen sprechen zu können, aber aufgrund dieser Vorfälle muss ich vorsichtiger sein. Mit einem Angriff auf die Stadt hatte ich nicht gerechnet, als ich aufgebrochen bin.«
»Über was möchtest du mit dem Patriarchen sprechen?«, fragte Pardus.
»Ich bin im Besitz von Aufzeichnungen eines Propheten ...« Pardus und Narses rückten näher an Arusch heran. Dieser gestikulierte aufgeregt mit seinen Händen, während er weiter erzählte. »... seine Worte sind mächtig, und wo man sie liest, dort bebt die Erde. Seine Prophezeiungen haben bisher schon zwei Städte ausgelöscht, und wenn ich mir Konstantinopel betrachte, weiß ich, dass ich hier richtig bin. Diese Stadt steht kurz vor dem Untergang, wenn ...«
»Warum?«, unterbrach ihn Pardus. »Warum bist du dir so sicher, dass du hier richtig bist?«
»Das bedeutet, dass die restlichen Aufzeichnungen nicht weit sein können. Nur so kann ich mir diese Katastrophe erklären. Habt ihr euch denn nicht gefragt, warum gerade hier das Chaos hereinbricht? Warum Christen ausgerechnet Christen abschlachten?«
»Welche restlichen Aufzeichnungen?«, fragte Pardus.
»Es gibt insgesamt sieben
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