Die siebte Gemeinde (German Edition)
sogar damit, die Polizei zu verständigen, sollte er ihn nicht in Ruhe lassen. Somit musste er zuschlagen. Nein, wenn er es sich recht überlegte, wollte er zuschlagen. Er wollte sehen, wie Robert Seydel auf die Dielen schlug. Wollte sehen, wie sein Blut floss. In solchen Augenblicken hatte er seine Wut nicht im Griff. Er hatte seinen gesamten Zorn in diesen einzigen Schlag gelegt und ergötzte sich daran, wie der alte Mann zu Boden ging. Er fühlte sich wie im Rausch. Ein erhabenes Gefühl, auf das er viel zu lange hatte warten müssen.
Zu seinem Ärgernis konnte er sein Opfer nicht länger beobachten. Er hatte Emma im Eingangsbereich rufen hören. Wütend krallte er seine Hand um den Kerzenständer, als er an Emma dachte. Weder hatte er gefunden, wonach er gesucht hatte, noch gab ihm seine Tat die Befriedigung, nach der er verlangte. Dabei konnte er froh sein, dass ihn niemand gesehen hatte. Fast wäre er ihr in die Arme gelaufen. Von seinem letzten Besuch im Antiquitätenladen wusste er von einer zweiten Treppe im hinteren Bereich des Gebäudes. Robert Seydel selbst hatte ihn vor einigen Tagen über die Hintertreppe hinausgeführt. Ein glücklicher Zufall, der ihm jetzt das Leben gerettet hatte.
Bevor er den Laden verließ, dachte er für einen kurzen Moment nach, ob er Emma nicht gleich mit beseitigen sollte. Nur zur Sicherheit. Schließlich hatte er seine Waffe noch in der Hand. Er beschloss nach gründlicher Überlegung, sein Glück nicht unnötig herauszufordern. Irgendwo musste sich Elias befinden, und das war ihm zu riskant. Er würde seine Chance noch bekommen. Zuvor musste er erst herausfinden, wie viel Elias von der Sache wusste und ob er die Unterlagen hatte.
Während er am Aachener Weiher vorbeilief und sich ärgerte, wegen der dicken Eisschicht den Kerzenständer dort nicht versenken zu können, klingelte sein Telefon. Ungelenk versuchte er, das Handy aus der Innentasche heraus zu fischen, da er die Mordwaffe nicht herzeigen wollte. Als er das Telefon endlich erreichte, musste er mit Entsetzen feststellen, dass er es war. Derjenige, dem er jetzt Rede und Antwort stehen musste. Derjenige, dem er jetzt erklären musste, dass er nichts gefunden hatte und sogar einen Mann beseitigen musste, wider den ausdrücklichen Anweisungen. Es war der Meister der Gemeinschaft, der er sich vor wenigen Wochen angeschlossen hatte.
Mit gekünstelt kräftiger Stimme nahm er das Gespräch entgegen. »Ja ...? Nein, leider noch nicht, … ja, ich weiß, … nein, das Kind ist sicher versteckt, … ja, das ist richtig, aber da ist noch etwas, was Sie wissen sollten …«
KAPITEL 5
»Dass du mir nur nicht die Nerven verlierst«, flüsterte Arusch, während sie auf die Wachen vor dem Tor zuschritten.
»Pah, du hast gut reden«, entgegnete Pardus. »Du musst ja auch nicht mit denen sprechen.« Er tippte auf das Wappen an ihren Waffenröcken. »Ich weiß ja nicht mal, wessen Zeichen wir auf unserem Wams tragen.«
Arusch musterte penibel die Männer, die gelangweilt unter dem Torbogen entlangtrotteten. Er wollte vorbereitet sein. Wie stark waren sie bewaffnet? Wo trugen sie ihre Waffen? An welcher Stelle hatten sie ihre Schilde abgestellt? Wie viele Männer waren hinter dem Tor? Er glaubte nicht, dass Pardus im Falle eines Kampfes eine große Hilfe sein würde. Gedanklich spielte er jeden möglichen Schritt durch. Er zählte drei Männer auf der linken Seite und vier zur Rechten. Bewaffnet waren sie nur mit Schwertern. Ihre Schutzschilde sowie ein paar Speere hatten sie an den Seitenwänden abgestellt. Einige Bogenschützen hockten oberhalb der Mauer zwischen den Zinnen. Arusch konnte ihre Zahl nur vage schätzen. Fünf, vielleicht waren es acht.
Er hatte in der Nacht mit Pardus besprochen, dass sie, sollten sie angehalten werden, den Wachen einen Auftrag von höchster Stelle vorflunkern wollten. Pardus hatte während der Belagerungszeit nur wenig von den Rittern erfahren können, doch hörte er, dass Balduin von Flandern und Hennegau einer ihrer Anführer war. Nachdem die Stadt gefallen war, waren einige grölend durch die Straßen gezogen und hatten seinen Namen skandiert. Arusch wollte den Männern weiß machen, Balduin eine Nachricht überbringen zu müssen. Hierzu würde er ein Dokument seiner Aufzeichnungen vorlegen und hoffen, dass keiner es lesen konnte. Er bezweifelte dies, da die Handschrift über tausend Jahre alt war. Auf lange Diskussionen wollte er sich nicht einlassen. Mit etwas Glück und der
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