Die siebte Gemeinde (German Edition)
antwortete Pardus würgend, der sich zwingen musste, nochmals nach oben zu blicken. »Darauf steht hier die Todesstrafe …« Nervös tippte er Arusch auf die Schulter, der unbeirrt weiterging. »Hast du mich verstanden, Arusch? Die Todesstrafe! Nicht mal vor den eigenen Leuten machen sie Halt.« Panik stand in seinen Augen. »Sie werden uns direkt daneben hängen, wenn wir nicht aufhören.«
»Mach dir keine Sorgen«, beruhigte ihn Arusch. »Ich hatte nicht vor, etwas zu plündern.«
»Hier geht es nach rechts«, sagte Georgios schließlich und bog in eine Gasse ab.
Mit gesenkten Häuptern drückten sie sich an den Wachen vorbei und wurden hinter ihnen kaum merklich schneller. Georgios blieb wenig später abrupt stehen und deutete über eine Häuserreihe hinweg.
»Dort hinter dem Gebäude könnt ihr bereits den Palast erkennen«, sagte er und sein Gesicht strahlte voller Stolz.
»Wurde auch Zeit«, keuchte Pardus. »Ich könnte langsam eine Pause gebrauchen.«
Arusch beschleunigte, bis er in einen Laufschritt verfiel und sich rasch von seinen Begleitern entfernte. Unmittelbar vor dem Palast blieb er ruckartig stehen. Es knirschte unter seinen Füßen. Mit einer gewissen Vorahnung schaute er nach oben. Fast alle Fenster des Palastes waren zerborsten. Nur wenige schienen unversehrt zu sein. Der gesamte Boden um den Prachtbau herum war mit Scherben, zersplitterten Hölzern und unbrauchbarem Müll übersät. Man musste aufpassen, sich keine Scherbe in den Schuh zu rammen. Die doppelflügelige Tür des Palastes stand sperrangelweit offen und lud jeden, der vorbeilief, zum Eintreten ein. Links und rechts des Eingangs befanden sich zwei leere Sockel. Ein abgebrochener Goldstumpf, der Rest eines Fußes, war das Einzige, was vom glanzvollen Aufsatz übrig geblieben war. Alles was wertvoll aussah, hatte man abgeschlagen. Keine Klinke an den Türen, keine Statue im Vorgarten, die noch unversehrt war. Außerdem schien das Gebäude völlig menschenleer. Weder waren Stimmen zu hören noch Soldaten weit und breit zu sehen.
»Oh nein!«, schrie Pardus, der seine Enttäuschung nicht zurückhalten konnte. Nach Luft ringend stützte er sich auf seinen Knien ab.
»Sieh an, die haben aber gründlich gearbeitet«, meinte Narses verbittert. »Selbst die Türklinken wurden herausgebrochen. Von wegen Todesstrafe. Die haben sich einen Teufel darum geschert.«
»Vielleicht waren es ja die vier Männer von vorhin?«, vermutete Pardus.
»Glaubst du etwa, dass bei vielen tausend Rittern lediglich vier der Versuchung des Goldes erliegen?«, entgegnete ihm Narses. »Ich jedenfalls nicht.«
Arusch richtete sich an Georgios. »Wo soll sich deiner Meinung nach das Tuch befinden?«
»Im hinteren Teil des Palastes, in einem Hof. Dort steht eine Kapelle, die der heiligen Maria gewidmet ist. An dieser Stelle soll man das Tuch aufbewahrt haben, hat man mir berichtet.«
»So hat man dir berichtet?«, wiederholte Arusch verärgert. »Ich dachte, du warst schon einmal im Palast?«
»Mehr oder weniger«, sagte Georgios zögerlich und wich einen Schritt zurück.
»Ach, was soll‘s«, winkte Arusch ab. »Ihr wartet hier.«
Ohne sich nochmals umzublicken, verschwand er hinter dem Eingangstor. Mit gezogenem Schwert hetzte er, so schnell er konnte, durch die Flure des ehemals prachtvollen Gebäudes. Auch im Innern bot sich ihm das gleiche Bild wie vor dem Palast. Weder Wandteppiche noch Gemälde waren zu sehen. Kein Kerzenleuchter. Nichts. Vereinzelt zeugten ein paar verbliebene Haken im Mauerwerk, dass dort etwas annähernd Wertvolles gehangen haben muss. Nichts deutete auf Wohlstand oder Prunk hin. Stühle lagen umgestoßen in den Ecken. Tische in Stücke zerschlagen daneben.
Arusch vergeudete keine Zeit. Für die im Boden eingearbeiteten, herrlich bunt verzierten Mosaike hatte er keinen Blick übrig. Während er sich leise aber geschwind voranbewegte, vernahm er plötzlich Schritte im Gebäude.
»Klack, klack. Klack, klack«, drang es wie von überall her zu ihm durch.
Er blieb stehen und versuchte, die Herkunft auszumachen. Doch die vollkommen leeren Korridore machten eine Ortung unmöglich. Mal war es, als schienen sie gleich um die Ecke, dann verhallten die Schritte wieder, um erneut bedrohlich nahe zu sein. Zu guter Letzt verschwand das Klacken der Stiefel im Nichts der endlosen Flure. Erleichtert setzte Arusch seine Suche fort.
Nach nur wenigen Metern drang endlich das Licht des sonnenbeschienen Innenhofes zu ihm durch. Er trat auf die
Weitere Kostenlose Bücher