Die siebte Gemeinde (German Edition)
Wiese hinter dem Palast und blickte auf eine kleine Kapelle. Das weiß gekalkte Gotteshaus bot vom äußeren Erscheinungsbild in etwa Platz für 20 Gläubige. Größer war es nicht. Auf dem Kuppeldach ragte ein armlanges goldenes Kreuz in die Höhe. Arusch verzog sein Gesicht zu einem sarkastischen Grinsen. »Na, wenigstens das Kreuz haben sie dran gelassen.«
Nach einem Kontrollblick nach links und rechts überquerte er die Wiese und trat in die Kirche. Wie erwartet, hatten die Plünderer auch hier nichts zurückgelassen. Arusch konnte nicht sagen, wo sich das Tuch befunden haben mochte, sämtliche Schreine sowie der Tabernakel waren restlos ausgeräumt. Die Türen des Heiligtums hingen an verbogenen Scharnieren nach unten. Nicht einer hatte Rücksicht vor diesem geweihten Ort genommen. Hängenden Kopfes begab er sich zu seinen Kameraden zurück.
Vor dem Palast konnte er zunächst niemanden entdecken. Pardus, Narses sowie Georgios schienen, wie vom Erdboden verschluckt. Er lies das geplünderte Gebäude hinter sich und lief den Weg zurück, woher sie gekommen waren. In einer Seitenstraße, nicht weit vom Palast entfernt, fand er Pardus und Narses, die nebeneinander hockend an einer Wand kauerten. Offensichtlich hofften sie, dass keiner sie ansprach.
»Wo ist Georgios?« fragte Arusch.
»Ach, der«, antwortete Narses und winkte verärgert ab. »Der ist wortlos verschwunden.«
»Wahrscheinlich hatte er Angst, du würdest ihm seine Belohnung wieder abnehmen«, ergänzte Pardus.
»Darauf hättest du wetten können.«
»Das bedeutet wohl, dass deine Suche erfolglos war?«
»Siehst du vielleicht, dass ich etwas in meinen Händen halte?«, entgegnete Arusch. »Ich jedenfalls nicht.« Er holte zweimal tief Luft und sah sich in der Gegend um. »Ist in den letzten Minuten jemand aus dem Palast herausgekommen? Habt ihr was gesehen?«
Beide zuckten mit den Schultern.
»Findet ihr den Weg auch ohne Georgios zurück?«
»Ich denke schon«, nickte Narses. »So schwierig sollte das nicht sein.«
Arusch trat beiden gegen die Füße. »Dann los, aufstehen, ihr Feiglinge! Ich möchte keine Sekunde länger an diesem Ort bleiben.«
»Habt Ihr schon eine Nachricht, wann meine Frau Marie aus Akkon zurückkehren wird?«, fragte Balduin den ins Zelt eilenden Philipp.
Balduin von Flandern und Hennegau befand sich in einem der Zelte des Soldatenlagers vor den Toren von Konstantinopel, als Philipp von Troyes, einer seiner wichtigsten Heerführer, durch den Eingang trat.
»Nein, Herr«, antwortete Philipp und verneigte sich. »Es heißt, Eure Gemahlin wird eines der nächsten Schiffe nach Konstantinopel nehmen.«
»Sehr schön, sehr schön, dann wird sie mit Sicherheit bald eintreffen.« Balduin deutete auf einen leeren Stuhl neben sich und schenkte Wein in einen Becher. »Setzt Euch zu mir, Philipp. Lasst uns einen von diesen byzantinischen Weinen verköstigen.«
Philipp folgte der Bitte, die mehr als Befehl zu verstehen war, und setzte sich zu seinem Befehlshaber.
»Nun, Philipp«, begann Balduin, während er seinen Becher hob. »Wie ich vernommen habe, möchte Enrico Dandolo die kaiserliche Krone ablehnen.« Er nahm einen kräftigen Schluck, wischte sich über den Mund und fuhr grinsend fort. »Das bedeutet, es wird sich zwischen mir und Bonifatius entscheiden, wer Kaiser wird.«
»Ich bin mir sicher, Herr, dass Ihr die Wahl zum ersten Kaiser des Lateinischen Kaiserreichs gewinnen werdet«, lächelte Philipp und nahm ebenfalls einen großen Schluck aus seinem Becher.
»Ihr schmeichelt mir. Doch scheinen die Wahlmänner tatsächlich ihn zu bevorzugen.« Balduin lächelte. »Obwohl …«, er drehte, mit dem Zeigefinger in der Luft herum, »... man sagt, er sei in Venedig in Ungnade gefallen. Ein Vorteil für mich, den man nicht verachten sollte.« Balduin stellte seinen Becher mit einem lauten Knall auf den Tisch. »Sei es, wie es sei, mein lieber Philipp«, fuhr er fort. »Dies allein wird der Herrgott entscheiden. Er hat uns diese Schlacht gewinnen lassen, er wird auch den richtigen Mann zum Kaiser krönen.« Balduin stützte sich auf die Armlehne und beugte sich Richtung Philipp. »Und nun erzählt mir, wie es um unsere Truppen bestellt ist?«
Philipp setzte seinen Becher ab. Ein erstes mulmiges Gefühl stieg in ihm auf.
»Unsere Männer waren ausgehungert von der langen Zeit vor der Stadt«, begann er und senkte seinen Kopf. »Sie trieben sich plündernd durch die Straßen. Weiber wurden geschändet, ungescholtene
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