Die siebte Gemeinde (German Edition)
Lächeln in seinen Augen zu erkennen.
»Na gut, Sie haben ja recht«, antwortete sie kleinlaut. »Ein wenig Ablenkung könnte wahrscheinlich nicht schaden.« Sie blickte auf ihre Uhr. »Meinen Termin habe ich ohnehin verpasst. Gehen wir in die Stadt.«
Wenig später saßen sie in einem gemütlichen Café in der Altstadt, das im altdeutsch rustikalen Stil eingerichtet war. Die Stühle und Tische aus dunkler Eiche und den grauen Polsterbezügen schmiegten sich stilistisch elegant an die weiß gekalkten Wände an. Die Theke befand sich mitten im Raum, dass man nur die Hälfte des Cafés auf einmal einsehen konnte. Emma beschloss, zur Beruhigung ihrer Nerven, wie sie behauptete, ein Stück Schokotorte zu ihrem Milchkaffee zu bestellen. Elias begnügte sich mit dem Gebäck, das zum Kaffee gereicht wurde.
Emma stocherte lustlos in ihrem Kuchen und schwieg. Sie hatte keine Ahnung, wie sie Elias begegnen sollte. Auf keinen Fall wollte Sie pietätlos erscheinen, ebenso wenig wollte sie oberflächlich über das Wetter sprechen. Schon früher hatte sie die Kondolenzbesuche, zu der sie und ihre Schwester von ihren Eltern mitgeschleppt wurden, ausnehmend gehasst. Kinder sagt dies nicht, Kinder sagt das nicht, wurde ihnen fortwährend von ihrem Vater eingetrichtert. Beim Tod ihrer eigenen Mutter hatte Emma sich nichts sehnlicher gewünscht, als dass sich die Trauergäste normal verhielten. Damals hatte die gesamte Familie im Wohnzimmer beisammengesessen und zwanghaft um den heißen Brei herum geredet. Alle vermieden es, Mutters Namen in den Mund nehmen, um nicht die Gefühle von Emma, Ellen oder ihrem Vater zu verletzen. Das hatte sie als extrem mühsam empfunden.
»Lasst uns etwas Lustiges über Mama erzählen«, hatte sie damals in die Runde gerufen. Tante Gisela sinnierte gerade über eine unheilbare Krankheit. »Wie war das noch mal, Papa, als ihr euch auf einem Tanzkaffee in Nippes kennengelernt habt?«
Emma war der Abschied seiner Zeit wesentlich leichter gefallen, als plötzlich die gesamte Familie fröhliche Geschichten über Mutter zum Besten gab, als käme sie jede Minute aus der Küche und servierte lächelnd ihren selbstgebackenen Streuselkuchen.
»Warum waren Sie heute eigentlich bei uns im Laden?«, holte Elias sie in die Gegenwart zurück.
Emma runzelte grantig die Stirn. Für einen kurzen Moment glaubte sie, Frank Behr, der Polizist, säße ihr gegenüber. Diese Frage hatte sie heute mit Sicherheit schon drei Mal beantwortet. Sie verdrängte ihren kurzfristigen Ärger, denn er konnte keine Ahnung haben, warum sie im Geschäft gewesen war. Sie hatte ja mit seinem Vater telefoniert.
»Es ging um den Jahresabschluss Ihrer Firma«, antwortete sie. »Ich hatte noch ein paar Rückfragen. Sie erinnern sich, ich hatte Ihnen gestern eine Mail zugeschickt. Da die Abgabefrist näher rückt, rief ich Ihren Vater an, ob er Zeit für mich hätte, und schaute kurz drauf im Laden vorbei.« Dass es ihr hauptsächlich um die Matteo-Nachrichten ging, verschwieg sie.
»Ach so, ja, die Abgabefrist.« Elias schlug sich peinlich berührt gegen die Stirn. »Die habe ich vollkommen vergessen. Ich weiß gar nicht, ob ich mich in dieser Situation darum kümmern kann.« Er zuckte mit den Schultern. »Was sollen wir denn jetzt tun?«
»Machen Sie sich darüber keine Sorgen«, beruhigte Emma. »Da kann ich auf jeden Fall eine Fristverlängerung erreichen. Selbst das Finanzamt hat manchmal Verständnis. Zurzeit gibt es wichtigere Dinge für Sie zu erledigen.«
»Das ist prima«, sagte Elias erleichtert. »Mit dem Bürokram habe ich so meine liebe Not. Aber wem erzähl ich das, Sie sind schließlich meine Steuerberaterin.«
Er lächelte Emma über das ganze Gesicht hin an. Erst jetzt erkannte sie, dass hinter seinen dunklen, von Trauer geplagten Augenringen strahlend grüne Augen steckten. Zusammen mit seinem braunen Bürstenhaarschnitt verliehen sie ihm einen warmen und freundlichen Gesichtsausdruck. In ihnen war der Kummer der vergangenen Stunden kaum zu erkennen gewesen.
»Das stimmt«, lächelte Emma zurück. »Das sollte ich wahrhaftig wissen. Sagen Sie, Herr Seydel«, setzte sie das Gespräch fort, froh endlich einen Aufhänger gefunden zu haben, »darf ich fragen, was Sie so leidenschaftlich zu den Antiquitäten getrieben hat? Nicht gerade ein gewöhnliches Gewerbe, finden Sie nicht?«
»Alte Familientradition könnte man sagen. Wenn der eigene Vater nichts als Antiquitäten im Sinn hat, färbt das irgendwann auf den Sohn ab.
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