Die siebte Gemeinde (German Edition)
brauchen wir eine vernünftige Unterkunft.«
Henry de Crién ließ sich mit einem Becher Wein auf der Terrasse seines Hauses nieder. Er hatte sich das größte Objekt am Hang ausgesucht. Eines, wo er hinaus über das Meer blicken konnte. Den Eigentümer, irgendeinen byzantinischen Staatsdiener, hatte er bereits Tage zuvor verjagt. Dabei hatte Henry sogar seinen großzügigen Tag gehabt und die Familie am Leben gelassen. In Zara vor einem Jahr war er nicht so barmherzig gewesen, dort hatte er härter durchgreifen müssen. In Konstantinopel war es wesentlich leichter.
›Verweichlichte Byzantiner‹, dachte Henry abfällig, trank einen Schluck und wischte sich die Tropfen aus seinem roten Bart. ›Alles nur Händler und Kaufleute ohne Mumm.‹
Gedankenverloren schaute er auf das Meer, welches in regelmäßigen Wellen gegen die Stadtmauer schlug. Vor wenigen Tagen noch war dort unten der Ort, wo die Schlacht ihre entscheidende Wendung genommen hatte. Seine Männer waren die Ersten, die es von der Meeresseite aus schafften, ihren Fuß auf die Mauer zu setzen. Von diesem Zeitpunkt an war das Schicksal der Stadt besiegelt.
Henry lächelte. Balduin und Bonifatius schätzten ihn und seine Kämpfer, das wusste er. Mit tollkühnem Wahnsinn kämpften seine Beidhänder an vorderster Front und schlugen dem Rest der Truppe den Weg frei. Als Gegenleistung nahm er sich die Freiheit und genehmigte sich ein exklusives Häuschen in der Stadt. Er ließ ein paar Dirnen antreten und genoss den Luxus, auch wenn es meist nur wenige Tage oder Wochen dauerte, bis sie weiterzogen.
»Ein schönes Haus hast du dir ausgesucht.«
Henry schnellte herum und verschüttete seinen Wein.
»Du Sauhund«, grunzte er, »schleich dich nicht so an. Du weißt, dass ich das nicht leiden kann.«
Manuel Kranto hob entschuldigend seine Hände und lächelte. »Schon gut, schon gut, ich werde es nie wieder tun.« Seine Miene wurde schlagartig ernst. »Wusstest du, dass dieser Dreckskerl aus dem Gefängnis geflüchtet ist?« Kranto ballte wütend seine Fäuste. »Irgendwer muss ihm geholfen haben.«
»Verdammt!« Henry stellte seinen Becher auf die Brüstung. »Heißt das, dass wir …«
»Nichts werden wir«, wütete Kranto. »Der kann nicht weit sein. Ich habe deine Leute bereits auf die Suche geschickt.«
»Du hast was?« Henry ging auf Kranto zu und packte ihn am Kragen. »Du magst der Meister unserer Gemeinschaft sein, aber wage es nicht noch einmal, über meine Männer zu befehligen.«
Manuel Kranto wich dem Blick Henry de Criéns keinen Deut aus, dann lächelte er. »Ich wusste, dass ich mir den richtigen Mann ausgesucht habe. Deinen Enthusiasmus werden wir gut gebrauchen können.«
Henry ließ Kranto los und griff nach dem Weinbecher. »Verdammt, Kranto, ich meine es ernst, untergrabe nicht meine Autorität bei den Männern.« Er trank einen Schluck. »Was werden wir tun, wenn wir den siebten Brief haben?«
»Na, was wohl, wir werden die Prophezeiung in die Tat umsetzen.« Er tippte Henry gegen die Brust. »Und die Kreuzritter müssen nicht mehr nach Jerusalem ziehen. Diese Stadt zu befreien, wäre dann nicht mehr notwendig.«
»Aber ist die Befreiung der Heiligen Stadt denn nicht Voraussetzung? Hat der Prophet nicht genau das gesagt? Für was sind wir überhaupt in den Krieg gezogen?«
»Lies die Prophezeiung richtig, Henry.« Kranto schüttelte verständnislos den Kopf. »Ich versteh auch den Papst nicht, … ›Rückkehr‹ und ›Läuterung‹, das sind die Bedingungen, nicht ›die Befreiung der Heiligen Stadt‹, wie er es predigt. Daher brauchen wir auch das Tuch und das siebte Buch, … den Rest lass meine Sorge sein.«
Henry wies über den Hügel in die Stadt. »Wie wollen wir diesen Kerl finden? Konstantinopel ist riesig.«
»Sagtest du nicht, Balduin hatte die Information von einem Schreiner? Der wird doch bestimmt noch mehr wissen, wenn wir ihm nur ein paar Solidos extra zustecken. Außerdem kommt aus dieser Stadt niemand heraus, wenn ihr es nicht wollt. Auf ein oder zwei Tage mehr, kommt es nun auch nicht mehr an.«
Weder Pardus noch Nazares getrauten sich, Arusch anzusprechen. Stumm schritten sie nebeneinander her und stierten zu Boden. Arusch würdigte keinen der beiden eines Blickes.
Der Junge hatte es diesmal nicht eilig und lief wortkarg an Aruschs Seite. Nur wenn sie an eine Biegung gelangten, flitzte er voraus und wies in die Richtung, in die sie gehen sollten. Immer wieder sah er Arusch von unten her an, doch
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