Die siebte Gemeinde (German Edition)
Regal stellen, bevor die Polizisten mit ihren Füßen drüberlatschen oder komplett als Beweismittel beschlagnahmen.« Dann fuchtelte er stolz mit zwei braunen Seiten in der Luft herum, die er aus der Lade hervorgezogen hatte. »Tja, und was soll ich Ihnen sagen, Frau Kemmerling, bei dieser Suche habe ich zwei weitere Blätter gefunden. Identisch mit unserem ersten Fundstück.«
»Wow«, rief Emma begeistert und rückte mit dem Stuhl hautnah an Elias ran. »Haben Sie schon versucht, etwas zu entziffern?«
»Nein, noch nicht«, antwortete er und legte die beiden Dokumente, die er hinter Klarsichtfolien gepackt hatte, auf den Tisch. »Ich wollte warten, bis ich - oder wir wieder zu Gustav fahren.«
»Was glauben Sie?«, fragte Emma und berührte das obere Schriftstück ganz vorsichtig. »Ob das Werk nun vollständig ist? Oder ob es noch weitere Blätter gibt?«
»Sehen Sie diese Löcher und die kräftigen Einkerbungen oben links auf den Seiten?«, antwortete Elias.
Emma nickte.
»Das deutet darauf hin, dass es ursprünglich mit wesentlich mehr Blättern verbunden war. Außerdem hatten Sie doch gestern von einem kleinen Minifetzen erzählt, oder nicht? Daher denke ich, es müsste noch mehr Unterlagen geben. Außerdem«, er machte erneut eine dramatische Pause, »habe ich mir bei meiner Aufräumaktion die Schubladen der Kommode genauer angesehen. Die lagen herausgezogen auf dem Boden herum. Sie erinnern sich?«
»Ja, ja. Und weiter?«
»Auf der Unterseite einer Lade waren Reste von Klebestreifen befestigt. Die Schriftstücke müssen also ursprünglich von unten an den Schüben befestigt gewesen sein.«
»Was Sie nicht sagen. Das wird ja immer abenteuerlicher. Dann hat die Kommode tatsächlich als Versteck gedient.«
»Genau.«
»Ach, apropos«, Emma schlug sich gegen die Stirn, »das hätte ich beinahe vergessen. Ich habe gestern Abend eine erneute Nachricht von Matteo erhalten. Langsam wird mir der Kerl unheimlich, muss ich Ihnen sagen.«
»Wirklich! Schon wieder eine? Ein hartnäckiger Bursche. Wann hat er Ihnen denn die E-Mail geschickt?«
»Keine E-Mail«, schüttelte Emma den Kopf und wühlte in ihrem Jackett. Sie zog den Zettel hervor und warf ihn auf die beiden Dokumente. »Das hat gestern Abend an meiner Tür geklebt.«
Elias griff sofort nach dem Stück und las. »Was soll das denn wieder bedeuten? Das ist ja ein Rätsel. Vorher waren es doch Aufforderungen, irgendetwas zu tun.«
»Genau, und Drohungen«, fügte Emma hinzu. »Aber außer den Stilrichtungen vor dem Barock habe ich noch nichts Brauchbares herausziehen können. Was kann er nur damit meinen?«
Elias gab keine Antwort und zuckte mit den Schultern.
Wie auf Bestellung klingelte das Telefon. Der Apparat, der unmittelbar vor Emma am Rande des Schreibtisches stand, durchbrach mit seinem schrillen Ton ihre Gedanken.
»Wer ist das denn schon wieder?«, stöhnte Elias, beugte sich an Emma vorbei und griff genervt nach dem Hörer.
»Ja«, blökte er in die Muschel. »Seydel hier!« Unverzüglich erhellte sich seine Miene, und er drehte seinen Kopf Richtung Emma. »Es ist Gustav.«
Das Einzige, was Emma von der Diskussion der beiden mitbekam, waren die kurzen Wortbruchstücke, die Elias von sich gab: »Aha, … was du nicht sagst, … ach, wirklich? … Sehr interessant, … moment, ich frage Frau Kemmerling. Sie ist gerade bei mir.« Er hielt den Hörer gegen seine Brust. »Haben Sie morgen Vormittag Zeit und Lust, mit mir zu Professor Heinrich zu fahren? Er hat Neuigkeiten für uns.«
»Selbstverständlich«, antwortete Emma.
»Hast du gehört, Gustav? Ja, wir sind morgen früh um zehn Uhr bei dir in der Uni.«
»Ach ja, noch etwas«, ergänzte Elias, bevor er das Gespräch beendete. »Ich habe gestern Abend noch zwei solcher Schriftstücke gefunden. Das bedeutet, noch mehr Arbeit für dich. … Was? … Nein, keine Angst, diesmal transportieren wir sie nicht in einer Aktentasche.«
»Er hat große Teile des Dokuments entziffert«, erzählte Elias aufgeregt, als er den Hörer auf die Gabel warf. »Besonders interessant fand er den unteren Teil. Erinnern Sie sich? Dort, wo er sich zunächst keinen Reim auf die Worte machen konnte. Nicht wirklich griechisch.«
»Ich erinnere mich«, bestätigte Emma.
»Gustav glaubt, dass der Schreiber sich eine Art Vokabelheft gebastelt hat. Und zwar von Griechisch in Alt-Französisch. Faszinierend, oder?« Er tätschelte grinsend die vergilbten Blätter. »Diese Dinger sind Gold wert.«
Emma sah
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