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Die siebte Gemeinde (German Edition)

Die siebte Gemeinde (German Edition)

Titel: Die siebte Gemeinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Link
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zwischen sich und dem Beamten als Barriere aufgebaut hatte.
    »Es verfolgt mich schon ein wenig«, antwortete Emma wahrheitsgemäß. »Ich hatte zuvor noch nie einen Toten gesehen. Das hat mich etwas schockiert.«
    Frank Behr schaute kurz auf seinen Block. »Warum haben Sie sich denn nicht einen Tag Urlaub genommen?«
    »Oh nein, das geht nicht. Ich stecke bis über den Kopf in Arbeit. Außerdem ist es eine gute Ablenkung.«
    Der Beamte schaute wieder auf seinen Block. »Hm«, murmelte er bedeutungsschwanger, »ihre Mutter ist vor zwei Jahren gestorben, stimmt das?«
    »Äh, ja«, stammelte Emma überrascht. »Und was hat das mit dem Fall zu tun?« Sie war auf allerlei Fragen vorbereitet. Auf der Taxifahrt war sie gedanklich einige Szenarien durchgegangen, auf die sie hätte treffen können. Sie hatte sich Ausreden parat gelegt, falls die Sprache auf das Dokument kommen sollte. Über den Tod ihrer Mutter befragt zu werden, traf sie wie ein Blitz. Gleichzeitig wunderte sie sich über die penible Vorbereitung des Polizisten, der sich offenbar die Mühe gemacht hatte, in ihrer Vergangenheit herumzuschnüffeln. Sollte er sie etwa verdächtigen?
    »Ach, ich dachte nur«, antwortete er unschuldig. »Sie haben gerade gesagt, dass Sie noch nie einen Toten gesehen haben, und da habe ich mir überlegt, dass Sie ihrer Mutter mit Sicherheit am Totenbett Lebewohl gesagt haben, oder etwa nicht?«
    Mit dieser Dreistigkeit hatte Emma nicht gerechnet. Sie verkrampfte ihre Hände in der Tasche. Er bezichtigte sie indirekt der Lüge. Scheinbar wollte er sie aus der Reserve locken. Aber warum?
    Sie beschloss, sich nicht auf den Seitenhieb einzulassen, obwohl sie ihm am liebsten ihre Aktentasche zwischen die Zahnlücke gerammt hätte.
    »Wissen Sie, Herr Behr«, begann sie besonnen, »glauben Sie etwa, ich habe bei meiner Antwort an meine Mutter gedacht? Meine Mutter starb nach langer Krebskrankheit zu Hause in ihrem Bett. Sie ist eines Morgens einfach nicht mehr aufgewacht. Was ich vorhin meinte, war, dass ich noch nie einen getöteten oder gewaltsam ums Leben gekommenen Menschen gesehen habe.« Ein abfälliges Kopfschütteln konnte sie sich nicht verkneifen.
    »Natürlich«, nickte Frank Behr und winkte gelassen ab. »Vergessen wir das. Warum ich Sie eigentlich hergebeten habe, ist«, setzte er geschäftig auf seinen Block blickend fort, »dass gestern ein zweites Mal im Laden eingebrochen wurde. Daher haben sich noch ein paar Fragen aufgetan. Ich hatte Sie ja vorhin am Telefon schon darüber informiert. Wir gehen jetzt definitiv von einem Verbrechen aus und denken, dass Sie den Täter bei einer Suche im Obergeschoss unterbrochen haben. Er schien etwas ganz Bestimmtes gesucht zu haben. Laut Herrn Seydel fehlen weder hier unten Gegenstände noch wurde Geld aus der Kasse entwendet. Da der Täter lediglich das obere Stockwerk durchsucht hat, gehen wir davon aus, dass er wusste, dass es sich oben befinden muss.« Er deutete zum Büro. »Mein Mitarbeiter geht mit Herrn Seydel die Inventurlisten durch, um herauszufinden, um was genau es sich dabei handeln könnte.«
    Nach einer kurzen Pause wandte er sich wieder Emma zu. »Frau Kemmerling, da Sie gestern als Erstes am Ort des Geschehens waren, möchte ich Sie nochmals fragen, ob Ihnen nach unserem Gespräch im Nachhinein etwas Wichtiges eingefallen ist? Irgendeine Besonderheit? Offen stehende Türen oder Schubladen, hervorgezogene Bücher oder ähnliche Auffälligkeiten? Irgendwas, das bei der Hektik von den Notärzten oder von meinen Leuten aus Versehen geschlossen oder fortgeräumt wurde? Wir könnten die Suche somit erheblich einschränken.«
    Emma schüttelte den Kopf. Selbstverständlich würde sie nichts über die offene Schublade der Kommode sagen. »Nein, tut mir leid, Herr Behr, da ist mir nichts aufgefallen.«
    »Hm, das ist schade.« Frank Behr tippte sich mit dem Stift gegen die Lippen. »Darf ich fragen, was das für eine Neuigkeit war, von der Sie Herrn Seydel am Telefon berichten wollten?«
    Auf diese Frage war Emma vorbereitet. »Es handelte sich um die Einkommensteuer«, log sie. »Ich habe heute Morgen für Herrn Seydel eine Steuererstattung ausgerechnet, obwohl ich ihm noch vor einem Monat eine Nachzahlung prognostiziert hatte.«
    »Ach so«, grinste er zustimmend. »Steuererstattungen sind auch immer eine aufregende Neuigkeit wert, nicht wahr?« Erneut machte der Beamte eine Gedankenpause. »Wie häufig im Jahr sind sie geschäftlich bei den Seydels? Wie gut kennen Sie

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