Die siebte Gemeinde (German Edition)
lang gezogenen Raum in ein schattenfreies Licht. Das Archiv war durch mannshohe Regale in drei lange Gänge unterteilt. In den Regalen war auf den ersten Blick nichts Außergewöhnliches zu entdecken. Neuwertige Aktenordner, moderne Kartons sowie wahllos auf den Brettern aufgetürmte Hängeregistermappen. Keine alten Bücher oder wertvoll wirkende Folianten, die man sich hinter einer solchen Tür vorzufinden wünscht. Es handelte sich um ein Archiv, wie es wahrscheinlich in jedem zweiten Unternehmen auf der Welt vorzufinden ist, auch wenn Emma sich insgeheim erhoffte, einen anderen Anblick geboten zu bekommen.
»Wir müssen in den hinteren Teil«, sagte der Pater und stiefelte langsam an den Regalen vorbei. Seine beiden Gäste folgten ihm. Vor einer schäbigen Pappschachtel, in der ausrangierte Gesangbücher lagen, stoppte der Pater und deutete ausladend in die dunkle Ecke. »Dort hinten steht Ihre Kommode«, verkündete er stolz, seinen Bauch vielsagend nach vorne gebläht.
Gerade waren Emma und Elias im Gebäude verschwunden, da wagte sich Maria aus seinem Wagen heraus. Er wusste nicht, wie viel Zeit er hatte, und wollte sich beeilen. Zum Glück strömten Besuchergruppen zum Dom. Ein Auto mehr oder weniger fiel somit nicht weiter auf. Der Parkplatz war an diesem Samstag fast bis zum letzten Platz gefüllt. Vorsichtig schlich er um das verlassene Auto von Elias.
»Nicht abgeschlossen«, stellte er bei einem genaueren Blick hinter die Scheiben fest und öffnete die Fahrertür.
Keiner der Besucher, die sich an ihm vorbeidrückten, nahm Notiz von ihm. Alle richteten ihre Augen auf die Fassade der rheinischen Gotikkirche, die in diesen Tagen einen Anblick bot, als hätte man sie mit einer Schicht Puderzucker überzogen. Hätte er nicht etwas Wichtigeres zu tun gehabt, er würde den Gästen folgen und ein Bild für seine Sammlung schießen. Stattdessen stellte er fest, dass die braune Ledertasche für jeden sichtbar auf dem Rücksitz des Autos lag.
»Dieser Idiot!«, grinste er hämisch, öffnete unverzüglich die Hintertür des Wagens und nahm auf der Rückbank Platz. »Das ist ja einfacher, als vermutet.«
Er zog sich die Tasche auf seine Knie und betätigte den Reißverschluss. Gänsehaut überzog seine Haut. Sein Herz spürte er im Hals schlagen. Doch anstatt auf die erhofften Dokumente zu blicken, steckten in den schmalen Seitenschlitzen ein paar Visitenkarten sowie ein abgekauter Füllfederhalter. Kein Dokument. Kein Pergament. Kein herrlich verziertes Schriftstück. Nicht einmal ein Block für Notizen.
Versteinert blickte Maria in die gähnende Leere der Mappe. Warum hatte Elias die Tasche überhaupt dabei? Wo hatte er die Dokumente gelassen? Hatte Maria im Büro des Professors etwas übersehen?
Obwohl ihm sein Verstand sagte, dass er nicht fündig werden würde, schaute er sich im gesamten Auto um. Sogar die Fußmatten hob er an, und das Handschuhfach wurde von ihm durchwühlt. Nichts!
Wütend schloss er die Ledertasche und warf sie auf den Sitz. Mit geballten Fäusten wankte er zu seinem Auto zurück, wissend, dass er seine Verfolgung fortsetzen musste.
»Das ist nicht die Kommode«, sagte Emma und ging einen weiteren Schritt nach vorne, um sich zu vergewissern. »Diese hier ist wesentlich kleiner und hat acht Schubladen, statt zwölf. Außerdem ist sie braun.« Prüfend blickte sie sich in der Ecke um. »Sind sie sicher, dass es nicht noch eine andere gibt?«
»Tut mir leid, das ist die Einzige«, sagte der Pater kopfschüttelnd. »Ich war mir aber sicher, dass dies Ihre Kommode ist, Frau Kemmerling. Davon gab es nämlich ebenfalls zwei Stücke.«
»Diese hier ist völlig morsch an den Seitenteilen«, meinte Elias, der sich die Kommode von Nahem anschaute. »Wahrscheinlich hat sie deshalb niemand gekauft.«
Emma ging in die Knie, schob eine Schublade heraus und schaute sie sich von unten an. Danach eine weitere und sofort die nächste.
»Nichts«, flüsterte sie Elias ins Ohr, der sich neben sie gekniet hatte.
»Was schauen Sie?«, fragte der Pater. »Sind Sie an einem Kauf interessiert?«
Emma zog sich an der Kommode zurück auf die Füße und klopfte sich den Staub von den Knien. »Nein, ich denke nicht«, sagte sie. »Diese Kommode entspricht nicht den Vorstellungen unseres Interessenten.«
Elias hustete.
»Eine Frage hätte ich noch, Pater Friedrich«, setzte Emma fort. »Könnten Sie uns den Namen verraten, welche Person oder Firma das Gegenstück zu unserer Kommode gekauft hat?
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