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Die siebte Gemeinde (German Edition)

Die siebte Gemeinde (German Edition)

Titel: Die siebte Gemeinde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Link
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der eine in Richtung des Waldes, der andere schüttelte vehement seinen Kopf und deutete in die entgegengesetzte Richtung. Schließlich einigten sie sich darauf, zurück nach Norden zu reiten.
    Von Beginn an wand sich Philipp von Troyes auf dem Gaul herum. Er nestelte unentwegt an seinen Fesseln, die ihn mit Aruschs Händen verbanden. Doch anstatt, dass sich die Fesseln lockerten, zogen sich die Stricke mit jeder Bewegung tiefer in das Fleisch.
    »Das macht keinen Sinn«, rief Arusch entnervt über seine Schulter. »Die Fesseln bekommst du ohne Hilfe nicht los.«
    »Ein Versuch ist es wert«, motzte Philipp zurück. »Besser, als auf diesem Pferd auf mein Schicksal zu warten.«
    »Du wirst deine Chance zur Flucht bekommen«, entgegnete Arusch. »Wenn sie dich hätten töten wollen, würdest du am Waldrand bei deinen Kreuzesfreunden liegen.«
    Philipp gab Arusch mit seinen Hacken einen kräftigen Tritt gegen dessen Unterschenkel. »Gib Acht, was du sagst«, rief er, »verspotte nicht das Kreuz.«
    »Ich verspotte nicht das Kreuz«, erwiderte Arusch in provokanter Ruhe. »Wenn ich jemanden verspotte, dann die Männer, die das Kreuz zu Unrecht auf ihrer Brust tragen und es schamlos ausnutzen, um an die Macht zu gelangen.«
    Philipp hatte keine Möglichkeit noch einmal das Wort zu erheben, denn ein bulgarischer Krieger schlug ihm mit einem Speer in die Seite, gefolgt von einer mürrischen Ermahnung. Arusch und Philipp wurden von vier Reitern bewacht, die ihre Aufgabe besonders ernst nahmen. Sie ließen ihre Gefangenen nicht aus den Augen. Auf dem schweigsamen Ritt konnte Arusch einen genaueren Blick auf die Bulgaren werfen. Sämtliche Krieger um ihn herum waren in schlichten dunkelbraunen Röcken gekleidet. Ihre Taillen waren mit schwarzen Ledergürteln umschnürt, in denen ein Dolch auf der einen und ein Schwert auf der anderen Seite steckte. Dies, sowie die spitz zulaufende Kopfbedeckung, waren die einzigen Gemeinsamkeiten, die sie aufwiesen. Allesamt trugen sie Beinlinge in unterschiedlicher Form und Farbe. Manche trugen ausgefranste Stoffüberzüge über ihren Füßen, einzelne ritten barfuß. Auf ihren behelfsmäßig zusammengenagelten Schutzschilden prangte kein Wappen. In äußerer Erscheinung, glaubte Arusch, ähnelten die Bulgaren den Seldschuken, vor denen er vor gut einem halben Jahr hatte flüchten müssen. Durch die dunklen Vollbärte, sowie den rätselhaften Augen, die ihn aus tiefen Augenhöhlen heraus anblickten, wirkte jeder einzelne Bulgare um ein Vielfaches grimmiger als eine gesamte Seldschukenhorde zusammen.
    Nach einem Ritt von einer Stunde verließen sie den Pfad Richtung Westen und stießen nach kurzer Zeit auf einen Bachlauf. Diesem folgten sie, bis sie auf eine beschauliche Mühle stießen. Das große Wasserrad der Mühle hatte keine einzige Schaufel, die Wasser hätte transportieren können. Die Schippen baumelten schlapp an dem Rad herab, oder sie fehlten vollständig. Die Wiese um die Mühle wurde seit Monaten nicht mehr gemäht und dornige Büsche sowie hüfthohe Disteln wucherten auf dem gesamten Gelände. Schon lange vom letzten Müller verlassen, gammelte das Anwesen an einem Waldrand morsch und modrig vor sich hin.
    Arusch und Philipp wurden unsanft von ihrem Pferd gezogen und mit Schlägen neben die Mühle geführt. Rücken an Rücken band man sie an einen Pfosten. Die feingliedrigen Stacheln einer Distel, die sich wie eine Schlange um den Holzpfosten nach oben wand, bohrten sich in Aruschs Arme. Die Bulgaren brabbelten etwas Unverständliches und ließen von ihren Gefangenen ab. Zusammen mit den anderen Kriegern widmeten sie sich vor der Mühle einer Mahlzeit. Kaum hatten sich die Bulgaren ein paar Meter entfernt, fingerte Philipp erneut an seinen Fesseln herum.
    »Warum seid Ihr so ungeduldig?«, fragte Arusch. »Solltet Ihr Eure Fesseln tatsächlich lösen können, werdet Ihr keine fünfzig Schritt weit kommen. Lasst uns warten, bis die Nacht hereinbricht, dann haben wir zumindest eine Chance zur Flucht.«
    Philipp stoppte und blickte unwirsch über seine Schulter. »Du möchtest mit uns flüchten?«, fragte er mit einem abfälligen Grinsen. »Woher willst du wissen, dass ich dir im nächsten Wald nicht ein Messer in den Rücken jage? Schließlich warst du unser Gefangener. Du solltest froh sein, dass die Bulgaren uns gefangen nahmen. Vielleicht lassen sie dich ja frei, wenn du höflich darum bittest.«
    »Ich glaube nicht, dass ich etwas von Euch zu befürchten habe«, antwortete

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