Die siebte Gemeinde (German Edition)
Arusch selbstsicher. »Ihr seid kein kaltblütiger Mörder. Wenn es so wäre, dann hättet Ihr mich heute Morgen getötet. Außerdem gibt es immer noch nichts, für das Ihr mich anklagen könnt. Ich möchte nach Adrianopel, so wie Ihr. Da können wir doch gemeinsam versuchen, von hier fortzukommen.« Er nickte zu den Bulgaren. »Wer weiß denn schon, wo die uns hinschleppen werden?«, setzte er fort, »da ziehe ich den Konflikt mit Euch und Eurem Kaiser vor.«
Philipp schüttelte verwundert seinen Kopf. »Du bist ein außergewöhnlicher Mann, sehr außergewöhnlich. Ich würde dich gerne verstehen lernen. Hast du denn einen Plan, wie wir diese Fesseln losbekommen sollen?«
»Einen Plan noch nicht, doch sollte die rechte Gelegenheit kommen.« Erneut nickte er zu der Bulgarenhorde. »Habt Ihr Euch Eure Gegner einmal genauer angeschaut?«
Philipp schüttelte den Kopf. »Nein, was meinst du?«
»Das ist alles andere als ein gut organisiertes Heer. Keinen richtigen Anführer, der das Sagen hat. Schlecht oder nur behelfsmäßig ausgerüstet. Manche tragen nicht einmal Stiefel. Ich denke, die sind auf dem Weg zu ihrer Hauptarmee und wurden unterwegs rekrutiert. Die haben keine Ahnung, wie eine Schlacht zu führen ist. Wie sonst konntet Ihr so lange gegen sie durchstehen?« Arusch blickte prüfend über seine Schulter hinweg in Philipps blaue Augen. »Auch wenn wir nur zu sechst sind, das sind alles Punkte, die uns zum Vorteil gelangen könnten.«
Philipp nickte anerkennend. »Du hast recht, das sollte es tatsächlich. Wärst du nicht mein Gefangener, du würdest einen guten Heerführer abgeben.«
Arusch antwortete nicht und für einen Moment schwiegen sie.
»Warum behauptest du«, brach Philipp die Ruhe, »tragen meine Männer das Kreuz zu Unrecht auf ihrer Brust?«
Arusch glaubte in Philipps Stimme, einen Hauch Traurigkeit zu vernehmen.
»Ich behaupte es nicht, ich weiß es.« Arusch konnte sich die Antwort nicht verkneifen. Zu sehr nagte die Erinnerung in seinem Hirn, die er in Konstantinopel gesehen hatte. »Niemand der im Namen des Herrn unterwegs ist, begeht solche Gräueltaten«, setzte er fort. »Das sind Taten, die eines Christen nicht würdig sind.«
»Du bist also ein Christ?« Philipp klang überrascht. »Ich dachte du wärst ein heidnischer Dieb, der auf der Suche nach einem Schatz für sich selbst ist.«
Arusch legte genervt den Kopf in den Nacken. »Ihr habt es immer noch nicht verstanden. Wie oft soll ich Euch noch erklären, dass ich kein Dieb bin?«
»Dann sag es mir eben noch einmal. Hat es mit dem Dokument zu tun, das du angeblich bei dir hast? Wo hast du es versteckt?«
Arusch konnte einen überraschten Blick zur Seite nicht verhindern. Erst jetzt kam ihm wieder in den Sinn, dass er gar nicht wusste, wo es sich befand. »Wie kommt Ihr darauf, dass es mit dem Dokument zu tun hat?«, fragte er leise.
»Ich weiß nicht«, antwortete Philipp. »Ich habe es vermutet. Wenn du kein Dieb bist, wie du sagst, und du den Patriarchen der Stadt gesucht hast, dann wolltest du ihm vielleicht etwas zeigen. Geht es also um das Dokument?«
»Schon möglich«, antwortete Arusch zögerlich. Skepsis und Hoffnung keimten gleichermaßen in ihm auf. Er hatte endlich die Gelegenheit einen Heerführer in seine Mission einzuweihen. Andererseits konnte es ihm schneller das Leben kosten, als ihm lieb war. Konnte er Philipp trauen? Wann sonst, als nicht jetzt, war es ihm vergönnt, in Ruhe mit einem Kreuzritter zu sprechen? Philipp konnte ihm weder ausweichen noch weghören. Er beschloss, sich behutsam an Philipp heranzutasten und dessen Gesinnung zu erforschen.
»Ich erinnere mich wieder daran, wie Balduin Euch nannte«, begann Arusch. »Euer Name ist Philipp von Troyes. Ihr seid demnach von adeligem Geschlecht?«
Philipp lächelte süffisant. »Nicht ganz. Meine Familie ist zwar nicht unbedeutend, aber adelig sind wir nicht.«
»Dann ist ›von Troyes‹ kein Adelstitel?«
»Von Troyes ist nicht einmal mein richtiger Name«, erklärte Philipp. »Die Männer nennen mich so, weil ich aus Troyes stamme, meiner Heimatstadt in Frankreich. Viele von uns werden nach ihrer Heimat benannt, das gibt uns, so weit ab in der Ferne, mehr Verbundenheit zu unserem Zuhause.«
»Wie lautet dein richtiger Name?«
»Von Ryle«, antworte Philipp. »Mein Name ist Philipp von Ryle.«
KAPITEL 14
Emma und Elias schlenderten aus dem Parkhaus heraus an die frische Luft und bogen in die darüber beginnende Fußgängerzone ein. Der
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