Die siebte Maske
eigenen Tasche!«
»Ist das ein ernstzunehmendes Angebot?«
»Karr, wenn Sie wirklich etwas in der Sache unternehmen wollen, dann forschen Sie in der angegebenen Richtung nach. Das war kein Einbruch. Und ich glaube auch nicht, daß da jemandem bei einer geschäftlichen Besprechung das Temperament durch- und die Pistole losgegangen ist. Meiner Meinung nach ist es ein Komplott – und meine Firma soll dabei hochgenommen werden.«
Nachdem er aufgelegt hatte, überlegte Mike, ob Reddy nicht vielleicht recht hatte. Aber aus dem falschen Grund.
6
T reten Sie ein, Mr. Karr.«
Eldon Kyle bat Mike in das Havensche Wohnzimmer, und die Tatsache, daß er eine Hausjacke trug, legte den Schluß nahe, daß Adriennes Vater nicht nur als Besucher, sondern als Bewohner hier weilte. Kyle schien Mikes Gedanken erraten zu haben.
»Ja, ich habe mich bei Adrienne einquartiert«, sagte er. »Offen gestanden, es wäre mir nicht recht, sie allein in diesem Haus zu wissen.«
»Da muß ich Ihnen zustimmen«, sagte Mike.
»Früher wollte ich mich meiner Tochter nie aufdrängen; das wäre Walter auch gar nicht recht gewesen. Abgesehen davon weiß ich meine Unabhängigkeit zu schätzen. Seit mehreren Jahren habe ich eine Wohnung in der Dugan Street, und ich fühle mich sehr wohl dort.«
»Kann Ihre Tochter mich empfangen?«
»Ich fürchte, sie war nicht sehr präsentabel, als Sie anriefen«, meinte Kyle. »Sie ist gerade dabei, die nötigen Verbesserungen vorzunehmen.«
»Ich möchte nicht, daß sie meinetwegen irgendwelche Umstände –«
»Sie ist eine Frau.« Kyle lächelte.
Sie nahmen Platz, und Kyle bot Mike einen Drink an. Mike lehnte ab.
»Halb sechs.« Kyle grinste. »Die Durststrecke ist seit einer halben Stunde freigegeben.«
»Ich lasse es jetzt doch lieber bleiben«, meinte Mike.
Kyle mixte sich einen Cocktail und sagte: »Adrienne hat mir zwar nicht allzu viel erzählt, Mr. Karr, aber mir scheint, ich weiß, warum Sie hier sind.«
»Ach?«
»Ich weiß, daß sie einen Anwalt für Tony Jerrick sucht.«
»Ihm selbst scheint nicht so sehr daran gelegen zu sein.«
»Er ist ein starrsinniger Junge. Aber ich kenne ihn nicht näher. Die paarmal, die ich ihn getroffen habe –« Kyle brach ab.
»Ja?« fragte Mike.
»Ich will nicht so tun, als hätte er mir gefallen. Weiß Gott nicht. Er ist ein grober Klotz. Je älter ich werde, desto weniger kann ich mich mit Grobheit abfinden.«
»Ich bin Jerrick nie begegnet, aber wie man so hört, stammt er aus einem recht rauhen Milieu – Armenviertel und so weiter.«
»Ja«, stimmte Kyle trocken zu, »ich kenne all die Entschuldigungsgründe. Der Junge aus den Slums, der es zu etwas gebracht hat. Der ungeschliffene Diamant. Offen gestanden, ich hätte erwartet, daß so ein Typ sich um etwas Politur bemüht. Statt dessen kokettiert dieser Jerrick auch noch mit seinen ungehobelten Manieren.«
»Sie halten ihn für einen – einen Poseur?«
»So ähnlich. Es hat ihm Spaß gemacht, sich ungeschlacht zu gebärden. Er hat sein ordinäres Auftreten richtiggehend genossen.«
»Sie sprechen von ihm in der Vergangenheit.«
»Ja«, gab Adriennes Vater zu. »Wunschdenken vielleicht. Sehen Sie, ich möchte, daß er der Vergangenheit angehört – um Adriennes willen. Er hat so viel Elend in ihr Leben gebracht –«
»Auf welche Weise?«
Kyle sah ihn verständnislos an. »Nun, er hat immerhin ihren Mann getötet.«
»Sind Sie sich dessen so sicher?«
Das Eis klirrte im Glas des Arztes. Er stellte es auf den Tisch, um sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen.
»Alle Welt scheint sich dessen so sicher zu sein, Mr. Karr. Die Polizei hat ihn festgenommen. Man wird ihn bestimmt unter Anklage stellen – das hat Adrienne mir erzählt.«
»Und sonst hat sie Ihnen nichts erzählt?«
»Sie spricht mit mir nicht gern darüber. Ich glaube, sie will mir Kummer ersparen.« Er lachte trocken auf. »Seltsam, wie unsere Rollen sich ins Gegenteil verkehren, nicht wahr? Am Ende ist es Sache der Kinder, die Eltern zu trösten.« Er schaute seine rechte Hand an. Sie zitterte nicht mehr. Entschlossen griff er wieder nach seinem Glas und nippte daran. »Aber an Jerrick liegt mir nichts, Mr. Karr. Nur an Adrienne. Sie ist das einzige auf der Welt, woran mir etwas liegt.«
»Warum macht sie Ihnen Sorgen?« fragte Mike.
»Andere Leute machen mir noch mehr Sorgen. Leute, die klatschen, die rücksichtslos drauflosplappern, die sich über Themen auslassen, von denen sie keine Ahnung haben
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