Die Siechenmagd
wird Eure Tat als Meuchelmord eingestuft, und darauf steht nun mal die Todesstrafe. Die Hintergründe interessieren die Herren aus den feinen Frankfurter Stubengesellschaften wenig. Und die sind es schließlich, die hier das Sagen haben. Dabei darf man nicht vergessen, dass es auch noch einen aus ihren eigenen Reihen getroffen hat, selbst wenn der schon längst nicht mehr unter ihnen weilte, weil er den Aussatz hatte. Trotzdem, das wird diese alten Bussarde besonders in Rage bringen. Und mit Standesdünkel, das dürft Ihr mir glauben, kenn ich mich hinlänglich aus. Man wird in Euch alleine die kaltblütige Mörderin sehen, die aus reiner Habgier den kranken, hilflosen Mann im Badezuber erschlagen hat. Dafür werden schon die trauernden Erben sorgen, da bin ich mir sicher. – Aber zeigt mir doch mal die Sore * , dann kann ich Euch ungefähr sagen, was die Klunker wert sind“, schlägt der Boskenner vor.
Mit zitternden Fingern fasst Mäu in ihr Mieder und holt die gestohlenen Schmuckstücke hervor.
„Feine Ware! Besonders der Rubin ist einiges wert. Für den regulären Preis, den diese Juwelen auf dem Handelsmarkt einbringen würden, könntet Ihr Euch schon eine solide Existenz aufbauen. Für ein Wirtshaus mit Badestube würde das sicherlich reichen. Aber es ist halt Sore und deswegen kriegt Ihr höchstens einen kleinen Teil von dem, was es wirklich wert ist, denn der Hehler will ja auch was verdienen und der trägt ja schließlich das Risiko, wenn er es an den Käufer bringen muss“, erörtert Benno fachmännisch.
„Ich bin selber vom Geschäft, wie Ihr Euch vielleicht denken könnt. Aber so Leid es mir tut, ich kann Euch damit nicht weiterhelfen, das ist mir einfach zu heiß. Wenn Blut dranklebt, wie in Eurem Fall, ist es auch schwer, einen halbwegs anständigen Hehler zu finden, der sich damit abgibt. Gut, es gibt schon welche, denen es ziemlich egal ist, wo die Sachen herkommen, aber das sind dann auch alles Halsabschneider, die Euch mit ein paar Talern für die ganze Schose abspeisen wollen. Ich kann Euch lediglich eine Empfehlung mit auf den Weg geben: Versucht Euch erst mal über den Thüringer Wald bis nach Leipzig durchzuschlagen. Dort kenne ich einen Hehler, an den Ihr Euch wenden könnt – aber dazu kommen wir später. Also von Leipzig macht Ihr Euch dann auf bis zur böhmischen Grenze. Und wenn Ihr es endlich bis nach Prag geschafft habt, könnt Ihr drei Kreuze schlagen, denn dann seid Ihr in Sicherheit. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg. Meidet unterwegs unbedingt die großen Straßen und Handelswege, genauso auch sämtliche Städte mit Torwächtern und Gebiete mit Grenzposten. Reist auf den geheimen Schmugglerpfaden, ich werde sie Euch nachher noch auf der Karte zeigen, und begebt Euch unterwegs so gut es geht nur in Herbergen und Schenken, wo die Fahrenden und das einfache Volk verkehren und mischt Euch nicht gerade in jeden Auflauf. Denn wo viele Menschen sind, da sind auch viele Augen“, ermahnt der Boskenner Mäu eindringlich. In der Zwischenzeit hat der Wirt eine Landkarte gebracht und Benno zeigt Mäu das weitverzweigte Netz der Geheimpfade.
„Also, Ihr haltet Euch möglichst auf den Trampelpfaden und Seitenwegen, die parallel zur alten Handelsstraße verlaufen, in Richtung Leipzig. Vor der Leipziger Stadtmauer überquert Ihr die Frankfurter Wiesen und marschiert durch das Ranstädter Tor in die Stadt. Dann kommt Ihr genau auf die Hainstraße, die geht Ihr entlang bis zum Markt. Wenn Ihr dort vor der großen St. Thomaskirche steht, biegt Ihr linker Hand in ein schmales Gässchen ein. Das fünfte Haus auf der rechten Seite ist es. Klopft an und verlangt nach dem Fleppes. Der Fleppes ist ein ganz ausgebuffter Pottfenner * , der alles versilbert, was ihm in die Griffel kommt. Ich pflege mit ihm keine Geschäfte mehr zu machen, Gott bewahre! Und das sage ich Euch auch ganz offen. Aber ich hab ihm vor einiger Zeit mal aus der Zwickmühle geholfen, und dadurch steht er gewissermaßen bei mir in der Kreide. Beruft Euch auf mich und übergebt ihm die Klunker, aber lasst Euch nicht weniger als zehn Taler dafür geben! Ich denke, das geht in Ordnung. Und dann macht Ihr Euch auf dem schnellsten Weg und so unauffällig wie möglich nach Prag. Erst dort könnt Ihr langsam aufatmen, denn Prag ist eine wahre Fluchtburg für Gauner aus aller Herren Länder. Nach Prag wird ein Großteil des Diebesgutes diesseits und jenseits der Alpen geschafft, die besten Pottfenner verramschen dort die Sore in
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