Die Siedler von Catan.
unaufgefordert ein und setzte sich ein gutes Stück von ihm entfernt auf die Bank. »Über ein Vierteljahr sind wir schon hier. Wir bauen uns Häuser und fangen in den nächsten Tagen damit an, unsere erste Ernte einzubringen. Aber was ist mit dem Tempel, den wir Odin errichten wollten? Es war deine Idee, Osmund, doch du verlierst kein Wort mehr darüber.«
Osmund schlug beschämt den Blick nieder. »Du hast Recht«, bekannte er. »Das Roden und die Häuser kamen mir wichtiger vor. Aber das Beben war eine deutliche Warnung, daran besteht kein Zweifel.«
Eine Warnung gewiss, nur von welchem Gott?, fragte Candamir sich. Es stimmte nicht, was Osmund ihm unterstellte, er war keineswegs den Einflüsterungen seines sächsischen Sklaven erlegen. Aber dessen Gott hatte ihm seine Macht bewiesen, wie es deutlicher wohl kaum möglich war, als er Hacon, der doch schon im Sterben lag, genesen ließ. Es war das erste Mal gewesen, dass ein Gott ihm einen persönlichen Gefallen getan hatte. Allein aus diesem Grund fühlte Candamir sich ihm verpflichtet, und er musste zugeben, dass er sich auch ein wenig vor ihm fürchtete. Jedenfalls war er geneigt, dem Sachsen eines zu glauben: Dieser Gott war mächtiger als alle, die er bislang gekannt hatte.
»Wir bauen den Tempel, wenn jede Sippe ein Dach über dem Kopf hat, Brigitta«, versprach er, um die alte Frau zu beschwichtigen. »Von mir aus noch vor der Mühle. Aber im Augenblick geht es nicht, das musst du doch einsehen.«
»Es ist gleich, was ich einsehe oder nicht«, entgegnete sie scharf. »Odin gilt es zu besänftigen. Und er hat uns wissen lassen, dass seine Geduld sich erschöpft hat. Ihr müsst alle anderen Arbeiten ruhen lassen und morgen mit dem Bau auf der Insel beginnen.«
»Du bist ja närrisch …«:, grollte Candamir.
»Nein, du bist närrisch«, fiel sie ihm schneidend ins Wort.
»Und du wirst zu einer Gefahr für uns alle, wenn du dich nicht besinnst. Der Schmied und deine Schwester deuten die Zeichen übrigens genauso wie ich. Harald hat vorgeschlagen, für morgen früh ein Thing einzuberufen und dort zu entscheiden, wie der Tempelbau vonstatten gehen soll. Da du ja so entschieden dafür eingetreten bist, die Befugnisse der Versammlung zu erweitern, wirst du dich ihrem Spruch kaum widersetzen, nicht wahr, mein Junge?«
Erntemond, Jahr 1
D er Roggen ist eingebracht, das Stroh gebündelt, auf den neuen Feldern haben die Aussaat und das Pflanzen der Pastinaken begonnen, die wir hier überall wild wachsend gefunden haben. Die Tage werden zwar kürzer, jedoch nicht kühler, und allmählich fangen die Menschen an zu glauben, dass es hier vielleicht niemals wirklich Winter wird. Die Furcht, die sonst gegen Ende des Sommers um sich zu greifen pflegt, ist nicht zu spüren.
Jeden Tag lehrt der Allmächtige uns etwas Neues über dieses gesegnete Land, mit jedem Tag gelingt es uns besser, uns den Gegebenheiten unserer neuen Heimat anzupassen. Wir haben weniger Wolle als früher, aber einen Überfluss an Rinderhäuten und – durch das viele geschlagene Holz – an Baumrinden, die uns Gerbsäure liefern. Also gehen wir zunehmend dazu über, Gewänder aus weichem Leder zu tragen, die viel widerstandsfähiger sind als wollene Tuche. Haflad der Köhler hat zum größten Erstaunen all seiner Nachbarn einen Weg gefunden, die neuen Felder mit Feuer statt mit Äxten zu roden. Durch zuvor geschlagene breite Schneisen begegnet er der Gefahr unkontrollierter Waldbrände. Nächstes Jahr schon werden wir so viel Ackerland haben, wie wir bestellen können. Auch die Anlage der Gärten und der Bau von Häusern und Wirtschaftsgebäuden sind der neuen Witterung angepasst worden. Die Zimmerleute genießen hohes Ansehen. Dies gilt in besonderem Maße für meinen Herrn, der sich seit einigen Wochen nur noch dem Tempelbau auf der Flussinsel widmet.
Bedauerlicherweise war es der verfluchten Hexe dank ihrer gelehrigen Elevin gelungen, den perfekten Ort für ihre heidnische Kultstätte zu finden. Ausgerechnet in der Nacht ihrer Vermählung hatte Inga auf der kleinen Insel die Quelle ausgegraben – über die näheren Umstände dieses Rituals wollte Austin lieber gar nichts wissen -, und schon raunten die Siedler von der Zauberkraft dieses Wassers. Osmunds Knecht hatte einen verletzten Fuß hineingetaucht, und die Blutung hatte augenblicklich aufgehört. Der alte Eilhard schwor, die Gicht plage ihn kaum noch, seit er die schmerzenden Glieder mit Quellwasser wasche, und der bedauernswerte
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