Die Siedler von Catan.
Weite bot. Es war wahrhaftig nicht schwer, in diesem Land zu verzweifeln.
Als Candamir zum zweiten Mal an diesem Nachmittag fiel, wusste er, dass es vorbei war. Er konnte nicht wieder aufstehen. Die Sohle seines linken Schuhs wies einen Riss auf, der von den Zehen bis zur Ferse reichte, und der Fuß war so übel zerschnitten, dass er bei jedem Schritt einen blutigen Abdruck hinterließ. Aber schlimmer als der Fuß war der Durst. Candamir fragte sich verwirrt, ob er gestorben war, ohne es zu merken, und sich auf dem Weg zu den Schrecken der Unterwelt befand …
Lars zerrte an dem Seil. »Komm auf die Füße!«
Candamir rührte sich nicht.
»Na los, mach schon.«
Er bekam keine Antwort.
»Du meinst, du kannst nicht mehr?«, fragte Lars. »Pass auf, ich beweise dir das Gegenteil.« Er öffnete den großen Lederbeutel, den er ebenso wie den Wasserschlauch vor sich auf den bloßen Rücken des Pferdes gelegt hatte, holte eine eingerollte Peitsche heraus und glitt zu Boden.
Als Candamir das leise Klimpern der Bleigewichte an den Enden der Riemen hörte, erkannte er sie wieder.
»Lars … «, begann Gunnar unsicher, doch sein Bruder schnitt ihm mit erhobenem Zeigefinger das Wort ab. »Du bist still!«
Hacon stieg vom Pferd. Aber noch ehe er ein Wort des Protestes ausgesprochen hatte, fuhr Lars zu ihm herum
und ließ die Riemen auf seine Brust niedersausen.
Hacon schrie nicht so hemmungslos wie damals, aber der Schock des plötzlichen, scharfen Schmerzes war noch der gleiche, und der Angriff kam so vollkommen unerwartet, dass er einen Laut nicht ganz unterdrücken konnte. Es klang eher entrüstet und wütend, aber Candamir hob plötzlich den Kopf wie ein Hund, der eine vertraute Witterung wahrnimmt. »Hör auf«, murmelte er. »Hör auf, Olaf …«
Dieses Mal landeten die Riemen auf seinem Rücken. »Ich bin nicht Olaf«, sagte Lars, es klang bedächtig. »Olaf ist tot. Du hast ihn getötet.«
»Ich würde sagen, Thor hat ihn getötet«, widersprach Hacon, obwohl er es nicht glaubte. »Er hat den Blitz geschickt, der den Baum spaltete, sodass er deinen Vater unter sich begrub. Und wenn du willst, dass ich je einen Finger für dich rühre, dann wirst du meinen Bruder jetzt zufrieden lassen.«
Lars wandte sich zu ihm um. Er war ruhiger und beherrschter als sein Vater, aber nicht weniger furchteinflößend. Seine Augen wirkten eigentümlich kalt, völlig gefühllos. Hacon fand es unmöglich, sich vorzustellen, dass Lars eine Frau lieben, ein Kind wiegen oder irgendeine Regung menschlicher Wärme zeigen könnte. Lars war wie dieses Land.
»Ob Thors oder Candamirs Hand – das ist ohne Bedeutung«, eröffnete er Hacon leidenschaftslos. »Dein Bruder war der Fluch meines Vaters, seit jeher. Er hat seinen Sturz verschuldet, seine Verbannung und seinen Tod. Und jetzt wird er dafür bezahlen.« Er wandte den Kopf, blickte einen Moment versonnen auf Candamir hinab und trat ihn in die Rippen.
»Nicht wahr? Das weißt du doch.«
Candamir hatte die Augen zugekniffen, aber er nickte.
Lars schaute den jüngeren der Brüder wieder an. »Und ihr werdet mir beide gehorchen. Wenn einer von euch sich gegen mich auflehnt, bezahlt der andere die Zeche.« Sein Vater hatte dieses Prinzip eingeführt, denn viele seiner Getreuen waren Geschwister oder hatten sich über die Jahre zu Paaren zusammengetan. Gerade in dieser Umgebung brauchte man einen vertrauten Menschen. Und Olaf hatte sich zunutze gemacht, dass die Verantwortung für einen anderen jeden Menschen verwundbar machte. »Also, wie steht es, Candamir? Wirst du jetzt weitergehen, oder muss ich Hacon erst den Rücken häuten?«
Candamir hätte nie geglaubt, dass er noch einmal die Kraft finden würde, um aufzustehen. Aber er überraschte sich selbst. Es ging besser und vor allem schneller als erwartet. Er hielt den Kopf gesenkt, sah niemandem ins Gesicht und machte zwei hinkende Schritte, bis er neben Lars’ Pferd stand. So als warte er ungeduldig darauf, dass es endlich weiterging.
Eine knappe Stunde später fiel er wieder, und dieses Mal war er weder mit Tritten und Schlägen noch mit Beschimpfungen und Drohungen zu bewegen, wieder aufzustehen. Als Hacon sich über seinen Bruder beugte, glaubte er, Candamir sei tot. Er sah ihn nicht atmen. Doch als er ihm die Hand auf die Brust legte, ertastete er einen langsamen Herzschlag.
Kopfschüttelnd sah Hacon auf. »So leicht machst du ihn dieses Mal nicht wieder munter, Lars.«
»Das werden wir ja sehen …«
»Oh, bei allen
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