Die Siedler von Catan.
Harald? Ich meine, ich kann doch nicht zulassen, dass er den Sachsen davonjagt! Mit welchem Recht? Aus welchem Grund? Muss ich mich der
Willkürherrschaft meines Ziehbruders unterwerfen, um in Frieden leben zu können?«
»Nein, es gibt noch eine andere Möglichkeit.«
»Und zwar?«
Harald verschränkte die Keulenarme auf der Tischplatte und beugte sich leicht vor. »Brigittas Orakel. Ich weiß, du glaubst, es sei Schwindel, sie habe diese Dinge gesagt, weil sie die Lage vorhergesehen hat, in der wir uns jetzt befinden, und Osmunds Position stärken wollte. Trotzdem könnten wir uns dieses Orakel zunutze machen.«
»Wie?«
Siglind wusste, was Harald meinte. »Du hast Olaf erschlagen, Candamir. Den Mann, der in Wahrheit der ›abtrünnige Verräter‹ war, wie alle hier wissen. Du musst die Position einnehmen, nach der es Osmund gelüstet. Nur wenn du der Anführer dieser Gemeinschaft wirst, haben wir hier alle noch eine Zukunft.«
Er schüttelte entschieden den Kopf, befreite seine Hand aus ihrer und stand auf, wich regelrecht vor den erwartungsvollen Blicken seiner Frau und des Schmieds zurück. »Das könnt ihr euch aus dem Kopf schlagen! Das … will ich nicht.«
Der Schmied nickte mitfühlend, entgegnete jedoch: »Aber sollte es so sein, dass Brigitta wirklich gesehen hat, was sie mir anvertraut hat, dann wird es so kommen, ob du nun willst oder nicht, mein Junge.«
Während der zwei Wochen bis zum Herbstthing blieb das Wetter trocken, aber untypisch drückend und windstill für die Jahreszeit. Die eigentümliche Schwüle lastete auf Gliedern und Gemütern ebenso wie die angespannte Stimmung.
Ein Riss schien plötzlich durch die Gemeinschaft der Siedler zu verlaufen. Auf der einen Seite standen die Anhänger des neuen Glaubens und all jene, die ihnen freundlich gesinnt waren und denen der Machtanspruch der jungen Priesterin und ihres Gemahls Unbehagen einflößte. Auf der anderen Seite scharten sich Osmunds und Ingas Gefolgsleute, trafen sich öfter als üblich im Tempel auf der Insel und pochten auf den alleinigen Herrschaftsanspruch ihrer Götter, denn dies war nun einmal Odins Land. In manchen Fällen verlief diese Kluft gar mitten durch eine Sippe, wie etwa im Fall der Brüder Thorbjörn und Haldir, die kaum mehr ein Wort miteinander wechselten. Noch schlimmer war es bei Siwards Kindern: Siwold und Wiland bekannten sich offen zu Austins Gott, während ihre Schwester die hoch geachtete Priesterin des alten Glaubens war, und die Geschwister begegneten einander mit unverhohlener Feindseligkeit. Das erschien ihnen allen unnatürlich und machte ihnen Angst, waren sie doch als gewachsene Gemeinschaft von Elasund aufgebrochen und hatten als solche schon fast sieben Jahre hier gelebt. Natürlich sagten Osmunds Anhänger, der Sachse sei schuld, der schließlich der einzige Außenseiter unter ihnen war, ein Fremder. Nicht er bewirft euch und die Euren mit Steinen oder vergiftet euer Vieh, entgegneten die anderen, sondern ihr seid diejenigen, die das tun. Die anderen Leuten vorschreiben wollen, wie sie zu leben und was sie zu glauben haben.
Alle fieberten dem Thing entgegen, denn sie hofften, dass bei der Versammlung irgendeine Klärung herbeigeführt werden würde. Selbst den Verbohrtesten auf beiden Seiten war klar, dass es so nicht weitergehen konnte.
Doch am Abend vor der Versammlung begann die Erde zu grollen und hörte nicht wieder auf.
Es war jenes grausige, drohende Donnern, welches aus den Eingeweiden der Erde zu kommen schien und meist den schwachen Erdstößen vorausging, die hier so häufig waren. Auch dieses Mal lief ein spürbares Zittern durch den Boden, aber das Grollen blieb, schwoll langsam an, ebbte allmählich wieder ab, bis es ganz leise war, doch es verstummte nie ganz.
Siglind lief aus dem Haus, sah sich suchend um und fand ihren Mann am Flussufer.
»Oh, Candamir, was ist das nur?«
Er legte ihr den Arm um die Schultern und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Aber es kommt von Südwesten.«
Rasch ging die Sonne hinter dem Wald unter so wie immer, aber es wurde nicht richtig dunkel. Ein unheimliches rotes Leuchten stand flackernd am Himmel über dem jenseitigen Ufer.
»Oh, Jesus Christus, steh uns bei«, flüsterte Siglind. »Der feurige Berg ist im Zorn erwacht …«
»Nein, ich denke nicht«, sagte Austins Stimme leise. Sie wandten sich beide zu ihm um. »Der feurige Berg liegt fünfunddreißig, vierzig Meilen von hier entfernt«, fuhr der Mönch gedämpft fort und wies
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