Die Siedler von Catan.
lernen, dich zu beherrschen. Wie oft habe ich dir das schon gesagt?«
»Ich weiß nicht«, kam die erstickte Antwort. »Oft.«
»Hm. Du meinst also, du hast Hunger, ja? Du hast keine Ahnung, Brüderchen. Keine Ahnung.«
Hacon fuhr sich nochmals mit dem Ärmel übers Gesicht, dieses Mal energischer, sammelte seinen Mut und hob den Blick. Er erschrak über Candamirs finstere Miene. »Und was nun?«, fragte er beklommen.
»Nun wirst du herausfinden, was Hunger wirklich ist. Du wirst bis zum Nachtmahl morgen nichts essen.«
Wie zum Protest gab Hacons Magen ein wütendes Knurren von sich. Der Junge drückte eine Hand auf den Bauch. »Ist das alles?«, fragte er halb bitter, halb hoffnungsvoll.
Candamir nickte. Er erinnerte sich an den letzten Hungerwinter in Elasund. Nicht die Turonländer hatten ihn verschuldet, sondern ein später Frost, ein nasser Sommer, eine miserable Fischsaison und ein Hagelschlag, der die magere Ernte vollends vernichtet hatte. Hacon war noch zu klein gewesen, um sich dessen zu entsinnen, aber Candamir war schon zwölf. Und sein Vater hatte ihn über dem Heringsfass im Vorratshaus erwischt. Candamir schauderte heute noch bei der Erinnerung an die furchtbaren Prügel, die er bezogen hatte, und in der Nacht darauf hatte er Fieber bekommen und wäre beinah gestorben. Sein Vater war verzweifelt gewesen, und Candamir hatte ihn gehasst. Bis zum Ende dieses bitteren Winters waren sie einander gram gewesen, sodass jeder mit seinem Elend allein geblieben war.
»Ja, das ist alles. Und es ist Strafe genug; du wirst mich morgen verfluchen, glaub mir. Aber es muss sein, damit du lernst, was ich uns zu ersparen versuche.«
Hacon stieß die Luft aus und wandte den Blick zur Decke.
»Vielleicht wäre es besser, du bindest mich irgendwo an. Ich weiß ehrlich nicht, ob ich das sonst durchhalte. Es wäre bitter, wenn du mich morgen wieder hier fändest, he?«
Candamir lächelte freudlos. »Iss Schnee, wenn du es nicht aushältst. Das hilft.« Dann gab er sich einen Ruck und stand auf. »Ich bin in der Schmiede, falls irgendwer mich sucht.«
Hacon nickte, und zu seiner Verblüffung ließ Candamir ihn allein im Vorratshaus zurück. Als der Junge das merkte, richtete er sich unbewusst auf, warf dem geräucherten Fisch einen verächtlichen Blick zu, und nachdem Candamirs Schritte verklungen waren, flüsterte er: »Danke, Bruder.«
Er ging hinaus und schloss energisch die hölzerne Tür.
»Mach mir ein Schloss für mein Vorratshaus, Harald«, bat Candamir. »Ich gebe dir eine Hammelkeule dafür.«
Der Schmied sagte erst einmal gar nichts, wartete, bis der junge Mann sich auf der Holzbank neben der Esse niedergelassen und sich den Schnee von den Schuhen geklopft hatte.
Und wie immer stimmte das geruhsame Schweigen des Schmieds Candamir redselig. »Ich bin nicht besser als der Gott meines Sachsen«, stieß er hervor. »Ich habe meinen Bruder in eine Versuchung geführt, der kein Mensch widerstehen kann. Nicht in dem Alter jedenfalls.«
Harald nickte bedächtig, nahm den Meißel, an dem er gerade arbeitete, aus dem Feuer, und schlug mit einem kleinen Schmiedehammer darauf ein. »Ich mache dir ein Schloss«, versprach er. »Behalt deine Hammelkeule. Hilf mir nächsten Sommer zwei Tage bei der Heuernte, das ist Lohn genug. Und erzähl mir, was dich quält, mein Junge.«
Candamir zog die Schultern hoch und genoss die sengende Hitze in seinem Rücken. In seiner Halle war es immer angenehm warm, aber die Schmiede war der einzige Ort in Elasund, wo es auch im Winter heiß war. Harald arbeitete wie meistens mit bloßem Oberkörper; seine muskulöse Brust und die breiten Schultern glänzten von einem feinen Schweißfilm. Hier roch es immer nach Eisen und Schweiß. Candamir liebte diesen Ort. Die Schmiede war die bevorzugte Zufluchtstätte seiner Kindheit gewesen. Harald war ein guter Freund seines Vaters gewesen, aber wenn es Streit zwischen Vater und Sohn gegeben hatte – was häufiger vorkam, weil sie das gleiche hitzige Temperament hatten -, hatte der Schmied dem Jungen immer Obdach gewährt. Noch heute suchte Candamir hier manchmal Rat, denn im Gegensatz zu Olaf oder seinem toten Onkel Sigismund und anderen Männern aus der Generation seines Vaters versuchte Harald niemals, ihn zu bevormunden.
»Hat Osmund schon mit dir gesprochen?«, fragte Candamir schließlich. »Oder Olaf?«
Der Schmied löschte den Meißel ab und legte ihn zum Auskühlen auf die Werkbank. »Ich habe Osmund seit Wochen nicht gesehen –
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