Die Siedler von Catan.
Gedämpft durch die dicken, mit Erde gedämmten Wände der Halle, hörten sie die ersten Böen des herannahenden Sturms. »Ich hoffe, die Schiffe bleiben unversehrt«, sagte er.
Es wurde der schlimmste Wintersturm seit Menschengedenken. Kaum jemand in Elasund tat in dieser Nacht ein Auge zu. Schlaflos lagen die Menschen unter ihren Decken und fürchteten, der Wind werde ihnen das Dach über den Köpfen fortreißen oder die Wirtschaftsgebäude und das wenige Vieh, das sie noch hatten, vernichten. Osmund und Candamir saßen die ganze Nacht am Feuer, lauschten dem Tosen und den Brechern am Ufer, und schließlich sagte Osmund leise: »Der Sturm heult mit Wolfsstimmen.«
Candamir nickte wortlos. Er hörte es auch.
Es kam nur höchst selten vor, dass die Wölfe im Winter den Wald verließen und an die Küste herunterkamen; zu Candamirs und Osmunds Lebzeiten war es noch nie geschehen. Die alten Frauen sagten, die Wölfe kämen, wenn sie nicht mehr genug zu fressen fänden und spürten, dass die Menschen schwach geworden und leichte Beute waren.
Candamir zog die Knie an und schlang die Arme darum. Zum ersten Mal, seit die Turonländer im Herbst gekommen waren, fürchtete er wirklich um sein Leben.
Bei Tagesanbruch ließ das Toben der Elemente nach. Es wurde nicht hell, denn der Himmel hing immer noch voll schwerer Wolken, und nach wie vor blies ein kräftiger Wind, doch sobald das graue Zwielicht die Schrecken der Nacht vertrieben hatte, schnallten Osmund und Candamir die Skier unter und machten sich auf den Weg, um festzustellen, welche Schäden es gab.
Der Sturm hatte eine gute Elle Neuschnee gebracht, und sie mussten sich den Weg zur Dorfwiese hinab mühsam bahnen. Als sie dort eintrafen, stellten sie ohne Überraschung fest, dass fast alle Männer des Dorfes den gleichen Gedanken gehabt hatten wie sie, und genau wie ihre Nachbarn hielten die beiden Freunde auf der tief verschneiten Uferwiese an und betrachteten voller Schrecken die Botschaft, die der Sturm gebracht hatte.
Keins der Schiffe war gesunken oder sah ernsthaft beschädigt aus. Doch die Esche, der heilige Baum des Dorfes, in dessen Schatten die Menschen sich seit alters her versammelt hatten, um ihre Beratungen abzuhalten und Entscheidungen zu treffen, lag entwurzelt im Schnee.
»Oh, mächtiger Tyr«, murmelte Candamir tonlos. Mehr fand er nicht zu sagen. Er war bis ins Mark erschüttert.
Die Esche war an die vierzig Fuß hoch gewesen und hatte nahe am Ufer gestanden. Jetzt hing die nackte, fein verästelte Krone im grauen Wasser, das immer noch aufgewühlt schäumte. Es sah aus, als zerrten die Wellen an den Zweigen, versuchten ihre Beute in die Tiefe zu ziehen. Der Wurzelballen, der nur wenig kleiner als die Krone zu sein schien, ragte obszön in die Höhe, steckte aber noch halb in der Erde. Vermutlich war der Baum nur deswegen noch nicht fortgespült worden, und beinah schien es, als führten die See und die Erde einen stummen Kampf um den Besitz der heiligen Esche.
»Mögen die Götter uns beistehen«, sagte der alte Eilhard.
»Das ist das Ende von Elasund.«
Niemand widersprach ihm. Niemand außer Brigitta. Sie als Einzige stand direkt an dem umgestürzten Baum, zu dem alle anderen furchtsam Abstand hielten, hatte beide Hände auf die erdverkrustete Wurzel gelegt und die Augen geschlossen. Langsam schüttelte sie den grauen Kopf und murmelte leise vor sich hin. Candamir konnte nicht verstehen, was sie sagte, aber es schien fast, als singe sie. Sie trug keine Skier oder Schneeschuhe, und er fragte sich flüchtig, wie sie hergekommen war.
Plötzlich schlug sie die Augen auf, trat einen Schritt zurück und sagte mit ungewohnt volltönender Stimme: »Sehet Thors Zeichen.«
Die Männer tauschten verwunderte Blicke.
»Ich sehe nur ein schlechtes Omen«, entgegnete Eilhard düster.
»Weil du ein alter Narr bist, und alte Narren werden verzagt und feige«, gab sie zurück.
Eilhards zerfurchtes Gesicht nahm eine bedenklich dunkelrote Farbe an. »Gib Acht, was du redest, altes Weib …«
Sie beachtete ihn nicht weiter, sondern wandte sich an Osmund und Candamir. »Ihr hattet Recht, die Zauderer hatten Unrecht. Dieser Baum ist ein Pfeil, der uns den Weg weist.«
Candamir schüttelte langsam den Kopf. »Ich verstehe nicht, wovon du sprichst.«
Brigittas Mund kräuselte sich verächtlich, aber sogleich wurde ihre Miene wieder ernst. »Nun, ich sagte, du habest Recht, aber das heißt nicht, dass du klüger bist als der alte Narr hier. Thor wirkt ein
Weitere Kostenlose Bücher