Die Siedler von Catan.
Acht lassen konnte.
Osmund lehnte mit der Schulter an der Bordwand. Sein Gesicht gab absolut nichts preis.
»Es bleibt uns nichts anderes übrig, als weiterzurudern, bis wir wieder Wind bekommen«, meinte Candamir. »Der Sturm hat nicht lange genug angedauert, wie du gesagt hast. Aber wir sind auf dem richtigen Kurs, also müssen wir früher oder später zu deiner Insel kommen.«
Olaf deutete ein Kopfschütteln an. »Die Wahrheit ist, ich weiß nicht, ob wir noch auf dem richtigen Kurs sind. Möglicherweise ja. Ebenso gut kann es sein, dass der
Sturm uns zu weit nach Süden abgetrieben hat und die Insel jetzt nordöstlich von uns liegt. Ich weiß es einfach nicht«, wiederholte er.
Olafs Stimme klang ruhig, keine Spur von Verzweiflung lag darin. Aber als Candamir die Tragweite dieses Eingeständnisses bewusst wurde, spürte er Furcht wie einen nadelspitzen Eiszapfen im Bauch. Sie hatten sich also verirrt auf dem weiten, endlosen Meer. Sie konnten nicht zurück, weil niemand wusste, wo genau »zurück« lag, aber wenn sie weiter in südwestlicher Richtung ruderten oder segelten, konnten sie alle verdurstet sein, ehe sie auf irgendein Land stießen. »Also sind wir verloren?«, fragte er. Er war dankbar, dass es ihm gelang, so nüchtern zu klingen.
Olaf sagte weder ja noch nein. »Nun, es gibt vielleicht einen Weg, unsere Insel noch zu finden, wenn wir nicht allzu weit von ihr entfernt sind.« Er brach ab, machte aus seinen Zweifeln keinen Hehl mehr. Höchst ungewöhnlich für Olaf, der sonst immer so darauf bedacht ist, seine Stellung zu wahren, dachte Candamir unbehaglich.
»Willst du nicht weitersprechen, Onkel?«, fragte Osmund höflich. »Was für eine Möglichkeit ist das?«
»Die Raben«, antwortete Olaf.
Brigitta schwante nichts Gutes. »Raben?«
Olaf nickte. »Dir muss ich nicht erklären, welch kluge Vögel es sind, nicht wahr? Sie können Land finden. Wir müssen deine Raben aussenden, Brigitta. Einen nach Südwesten, falls wir noch auf dem richtigen Kurs sind – was ich glaube. Einen nach Nordwesten, falls wir die Insel östlich passiert haben; einen nach Nordosten, falls wir im Westen an ihr vorbeigetrieben sind. Die Raben, die kein Land finden, werden zurückkommen. Dem, der nicht zurückkehrt, müssen wir folgen.«
»Und was ist, wenn keiner zurückkommt?«, fragte die alte Frau. Ihre Stimme klang ungewohnt schrill.
Olaf breitete kurz die Hände aus. »Damit sollten wir uns erst befassen, wenn es geschieht.« Was wohl hieß, dass er dann endgültig am Ende seiner Weisheit wäre, mutmaßte Candamir.
Brigitta antwortete nicht gleich. Sie glitt einen Schritt zurück, sodass die Männer den Ausdruck ihres mageren, zerfurchten Gesichts nicht mehr richtig erkennen konnten.
»Brigitta«, hob der Schmied behutsam an. »Jedem hier ist bewusst, wie du an deinen Raben hängst …«
»Was willst du damit sagen, ich hänge an ihnen?«, unterbrach sie ihn schneidend. »Sie sind weise. Sie sind Odins Vögel. Sie …« Sie brach unvermittelt ab.
»Sie sind dir heilig, ich weiß«, fuhr Harald für sie fort. »Aber wir brauchen sie. Es sei denn, du denkst, dass ein Orakel uns weiterhelfen kann.«
Sie kam wieder näher und schüttelte ohne zu zögern den Kopf. »Ein Orakel würde nichts nützen. Wir wüssten ja nicht einmal, welche Fragen wir stellen sollten.«
Alle schwiegen. Schließlich nickte die alte Frau. »Geht weg. Wartet oben. Ich bringe sie euch, ehe es hell wird.« Sie umfasste die Ellbogen mit den Händen und starrte stur zu Boden, schaute auch nicht auf, als die Männer betreten zur Luke schlichen.
Die Nacht war kühl, aber seltsam stickig. Mit brennenden Augen schaute Candamir zum Mond auf, der milchig durch eine dünne Wolkenschicht schien. Er war müde, aber er wusste, dass er keinen Schlaf finden würde. Unruhig schlug er die Decke zurück, die er mit Gunda teilte, drehte sich auf die Seite und betrachtete seine friesische Sklavin. Sie schlief selig, eine Hand unter der Wange, die Lippen leicht geöffnet. Nur zu gern hätte er sie geweckt. Das hatte er oft getan auf dieser Reise, meist zu später Stunde, wenn alles an Bord schlief. Andere Paare waren nicht so zurückhaltend, trieben alles Mögliche im unzureichenden Schutz ihrer Decken, sobald es auch nur halbwegs dunkel war. Candamir war untypisch schamhaft geworden, seit Siglind an Bord war, wenngleich gerade ihre Anwesenheit es war, die ihn nötigte, Gunda um den Schlaf zu bringen. Doch Brigitta hatte ihm unverblümt gesagt, er
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