Die Signatur des Mörders - Roman
gelesen?
Kellermann zögerte kurz, dann lehnte er sich zurück: »Ein Mann lässt sich in einem Zirkus in einen Käfig sperren und hungert sich freiwillig zu Tode. Das ist die Kurzversion.«
Langsam begriff Myriam. Diese Erzählungen und die Morde standen auf irgendeine Art und Weise miteinander in Verbindung, und diese Verbindung musste zu Milan Hus führen.
»Aber was hat das mit Milan Hus zu tun?«
»Er hat das Buch sowohl Helena Baarova wie auch Justin Brandenburg geschenkt und ihnen folgende Widmung hineingeschrieben: Liebe ist, daß Du mir ...«
Myriam unterbrach Kellermann, indem sie das Zitat vollendete. »Liebe ist, daß Du mir das Messer bist, mit dem ich in mir wühle.« Sie hatte es nicht vergessen.
Myriam war an diesem Morgen in Kellermanns Büro gekommen, um ihren Zorn loszuwerden, stattdessen musste sie erleben, wie die Ereignisse eine unerwartete Wendung nahmen. Sie hätte es wissen müssen. Kellermann war niemand, der leichtfertig jemanden zum Tatverdächtigen erklärte. Wer war sie, ihn an den Pranger zu stellen?
»Beide Erzählungen zeigen also Parallelen zu Kafkas Erzählungen, und ihr seht darin ein Motiv für Milan Hus?«
Kellermann strich mit dem Zeigefinger der rechten Hand über eine Augenbraue. »Filip Cerny, dem Besitzer eines kleinen Antiquariats in Prag, irgendwo in einer Seitenstraße, wurden jeweils kurz vor Helena Baarovas und Justin Brandenburgs Ermordung angebliche Originalmanuskripte von Kafka angeboten. Es sollte sich dabei um bisher unentdeckte Fassungen der genannten Erzählungen handeln. Cerny hat das erste Manuskript sofort Milan Hus angeboten, doch der erklärte kategorisch, dass es sich dabei um eine Fälschung handelte.«
»Na also!«
Kellermann hob die Hand. »Kurze Zeit später rief Hus jedoch erneut bei Cerny an und wollte das Manuskript unbedingt haben.«
»Warum hat er es sich anders überlegt?«, fragte Myriam.
»Keine Ahnung, aber das ist es nicht, was mir eigentlich Kummer macht. Die Dinge sind noch komplizierter, als du dir vorstellen kannst. Beide Manuskripte wurden über eine E-Mail-Adresse verschickt, die, wie unsere Techniker herausfanden, Hus zuzuordnen ist.«
Myriam machte eine heftige Bewegung und stieß mit ihrer Hand an einen Papierstapel mit Akten, der zur Seite rutschte. Kellermann versuchte vergeblich, die Papiere aufzuhalten. »Habt ihr mit Milan Hus darüber gesprochen?«, wollte Myriam wissen.
»Natürlich. Sofort.«
»Und?«
»Er verweigert jede Aussage.«
»Das ist sein gutes Recht. Er muss sich nicht selbst belasten. Was meint sein Anwalt?«
»Er will keinen Anwalt.«
Im Raum war keine Uhr, doch Myriam hörte eine ticken. Laut und deutlich.
»Ich kann das nicht glauben«, sie schüttelte verständnislos den Kopf.
»Das sind die Fakten«, erklärte Kellermann.
»All dies macht Milan Hus zwar zu einem Tatverdächtigen, aber reicht es wirklich für einen dringenden Tatverdacht, der einen Haftbefehl rechtfertigt? Wurde eine Hausdurchsuchung durchgeführt?«
»Gestern Abend.«
»Habt ihr die E-Mails oder die Manuskripte gefunden?«
Kellermann schüttelte den Kopf. »Nein, aber die Kollegen haben die Festplatte sowie den Laptop beschlagnahmt. Beide Geräte sind nun in der Spurensicherung.«
Kellermann schob die Akte zu ihr herüber. »Alle Fäden laufen bei Milan Hus zusammen. Schau dir alles in Ruhe an. Ich weiß, du wirst auch danach noch sagen, die Beweise reichen nicht aus. Aber da ist noch etwas, und das macht mir wirklich Sorgen. Justin Brandenburg trug dieselbe Signatur im Nacken wie Helena Baarova.Wenn du weiterblätterst, findest du eine Kopie.«
Wenige Seiten später stieß sie auf das weiße Blatt, auf dem ein schwarzes Zeichen zu sehen war. Myriam starrte die Abbildung an. »Das ist kein Kreuz, oder?«, fragte sie schließlich.
»Nein.«
»Was denkt ihr?«
»Was denkst du?«
Myriam wusste sofort, worum es sich handelte. Es wurde ihr schlagartig klar, denn es lag in der Logik der Geschichte. »K. K wie Kafka?«
Kellermann nickte. »Veit sagt, das erste Mal hat der Täter die Signatur noch geübt. Es ist nicht einfach, selbst mit einem scharfen Messer, einen Buchstaben aus der Haut zu schneiden. Die menschliche Haut ist nicht wie Pergament. Aber beim zweiten Mal ist es ihm perfekt gelungen.«
»Aber ich sehe nicht, weshalb die Signatur ein Beweis sein soll, der gegen Hus verwendet werden kann.«
»Es ist einfach! Ich kann kein Risiko eingehen. Auch wenn die vorhandenen Verdachtsindizien zur Begründung eines
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