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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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sein Schicksal verdient hat!« flüsterte mir Asa zu.
    »Woher weißt du das?« Wie vom Donner gerührt drehte ich mich zu der Heilerin um, doch diese war schon wieder ins Haus zurückgegangen. Ich folgte ihr.
    »Ich weiß es halt! Glaubst du, ich habe den ganzen Tag Zeit, wie die anderen Klatschweiber Geschichten zu erzählen?« erwiderte sie gereizt.
    »Beruhige dich! Wenn du der Meinung bist, daß es genügt, mir wie einem Hund einen Brocken Fleisch vor die Nase zu halten und diesen dann wieder wegzuziehen, dann mach’s halt so!« Nun war ich wirklich böse. Wie oft schon hatte Asa eher beiläufig kleine Bemerkungen über ihre Vergangenheit fallengelassen, nur um diese dann eiligst unter den Tisch zu kehren. Wie gerne hätte ich gewußt, woher die Heilerin kam, wo sie zu Hause gewesen war! In den drei Jahren, die ich nun schon bei Asa wohnte, hatte ich ihr alles von mir erzählt. Sie kannte jeden Baum und jeden Strauch aus meinem Heimatdorf so gut wie ich. Sie wußte, daß ich als Kind Angst vor Spinnen gehabt und daß meine beste Freundin Anna geheißen hatte. Sie selbst erzählte dagegen nie etwas aus ihrer Kindheit. Deshalb war ich wie vom Donner gerührt, als sie nun doch ohne Vorankündigung anfing: »Vor vielen Jahren hauste auf einer zerfallenen Burg im Süden des Landes ein alter Ritter mit seiner Tochter. Die beiden führten ein recht einsames und zurückgezogenes Leben, die Mutter und zwei Söhne waren sehr jung an der Pest gestorben. Statt das Kind in ein Kloster zu geben, zog er das Mädchen selbst auf, und sie wurde ihm so kostbar wie sein Augapfel. Zu der alten Burg gehörten ein paar Ländereien, so daß die beiden immer genügend zu essen hatten. Wenn es auch nicht für einausschweifendes Leben reichte, ein glückliches Leben führten die beiden allemal. Die Tage verbrachten sie mit Reiten und Fischen, das damals noch nicht verboten war, und an den langen Abenden erzählte der Ritter Geschichten von seinen vielen Raubzügen aus früheren Jahren. Außerdem hatte die Tochter damit begonnen, sich mit der Pflanzenwelt zu beschäftigen, wobei sich der Vater ebenfalls als eine Quelle des Wissens herausstellte. Gespannt hörte die Tochter ihm zu, wie er über Tinkturen, Salben und Säfte so wissend sprach, als sei er selbst ein Heilender. An einem dieser langen Abende faßte das Mädchen folgenden Entschluß: Sie würde Heilerin werden und dafür sorgen, daß nicht mehr so viele Menschen an der Pest sterben mußten wie bisher! Doch dann begann das Unglück über die zerfallene Burg hereinzubrechen …«
    Ich nutzte Asas Schweigen, um Find, der mir auf dem Arm schwer zu werden begann, auf seine Decke zu legen. Wieder einmal dankte ich dem Himmel für meinen braven Sohn, der ohne zu schreien eingeschlafen war. Ich wollte Asa in ihrer Geschichte keinesfalls unterbrechen. Denn daß es sich dabei nicht um irgendeine Geschichte handelte, wußte ich schon nach den ersten Sätzen. Nach einer kurzen Pause fuhr Asa mit ihrer Erzählung fort, die Augen stur geradeaus gerichtet.
    »Als die Kleine vielleicht zehn, elf Jahre alt war, begab es sich, daß drei andere Ritter auf der Durchreise für eine Nacht bei dem Alten einkehrten. Erfreut über den seltenen Besuch, tischte der alte Ritter seinen Gästen auf, was der Keller zu bieten hatte. Immer wieder sprang die Tochter die steilen Kellerstufen hinab, um noch einen Krug Wein zu holen. Es wurde gebechert, was das Zeug hielt … Mußt mir sagen, wenn dir meine Geschichte zu lang wird, ja?« fragte Asa mit einem Seitenblick.
    Ich wußte nicht, was ich antworten sollte, und so schwieg ich.
    »Nun … Wie es nun einmal so ist, wenn Mannsbilder zuviel des roten Traubensaftes trinken, wurden auch die Ritter übermütig. Einer begann wohl damit, der Tochter des Hauses schöne Augen zu machen, ein anderer griff ihr unter die Röcke. Das Ende vom Lied war, daß sich alle drei über das Mädchen hermachten, nachdem ihr alter Vater, müde vom Wein, eingeschlafen war. Blutig und zerschunden fand ihr Vater sie am nächsten Morgen auf den Treppenstufen liegend, und vor Wut bebend stellte er die Schufte zur Rede. Diese jedoch wollten von ihrer Schuld nichts wissen und behaupteten, wenn überhaupt etwas geschehen wäre, dann habe die Tochter dies so gewollt. Das ließ der alte Edelmann natürlich nicht auf sich und seiner Tochter sitzen. So schwang er sich auf sein Roß und ritt in die nächste Stadt zum Stadtrichter. Doch dieser weigerte sich, dem Alten zu helfen. ›Vielleicht hat

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