Die Silberdistel (German Edition)
Kloster und läßt es sich gutgehen?« fragte Jerg dann mißtrauisch nach.
Weiland lächelte. »Dieser Müntzer, das ist einer, der sein ganzes Leben bei den einfachen Leuten verbringen will. Und so bereist er das ganze Land und spricht überall dort, wo ein paar Leut’ sind, die ihm zuhören wollen.«
»Sein Leben bei den einfachen Leuten verbringen … Damit hat unser feiner Erzherzog scheinbar nichts zu schaffen, ha! Nicht schnell genug weggehen konnte der! Als ob wir die Pest am Leibe hätten! Der wird schneller wieder in seinemÖsterreich verschwunden sein, als wir schauen können!« Mit dieser Bemerkung brachte Dettler die Rede wieder auf die vorangegangene Huldigung. Während des ganzen Mahls, von Lene mit mißmutiger Miene ausgeteilt, war von nichts anderem mehr die Rede als von Herzog Ferdinands Huldigung auf dem Kirchheimer Stadtplatz.
3.
Die Tabener Dorfschenke war zum Bersten voll, jeder Tisch, jede Bank war besetzt, überall saßen Männer dicht an dicht gedrängt, um bei einem Krug Bier oder Wein über die Huldigung zu sprechen. Auch Dettler, Stefan und Jerg hatten sich nach dem Mittagsmahl auf den Weg hierher gemacht. Cornelius war zu Hause geblieben, um bei Lene zu sein, die wegen Schmerzen im Rücken niederlag. Wieder einmal mußte Marga Lenes Aufgaben übernehmen, wozu unter anderem das Melken und Füttern der beiden Kühe gehörte, die ihr immer noch nicht ganz geheuer waren. Doch Cornelius hatte genug zu tun, als daß er dies auch noch hätte übernehmen können. Sonntag hin oder her – die Arbeit machte sich nicht von allein. Jerg hatte fest versprochen, der Dorfschenke nur einen kurzen Besuch abzustatten.
Er wandte sich nun an Dettler.
»Und du glaubst wirklich, wir sollten nach Ulm reisen, um diesen Müntzer zu treffen? Was versprichst du dir davon?«
»Mir scheint, Müntzer ist aus dem richtigen Holz geschnitzt! Wer so schamlos gegen die Kirche angeht, kann doch nur ein rechter Kerl sein, oder? Den würde ich gern kennenlernen!« Er nahm einen Schluck Bier. »Uns tät’ es nicht schaden, einmal anzuhören, was er zu sagen hat. Vielleicht können wir von dem was erfahren, was auch uns hier inTaben weiterhilft?« Mit unbeteiligter Miene, als würde er über die tägliche Feldarbeit reden, blickte Dettler beim Sprechen geradeaus, grüßte hier einen Nachbarn, da den Schmied. Obwohl er vor zwei Jahren als völlig Fremder hier in Taben angekommen war, war er inzwischen überall gerne gesehen und noch viel lieber gehört. Und einen lustigen Schwank oder eine geheimnisvolle Geschichte hatte er immer zu erzählen. Wen verwunderte es, wenn Dettler einmal selbst einem guten Redner zuhören wollte, ging es Jerg durch den Kopf.
»Also, ehrlich gesagt, tät’ ich auch wissen wollen, wie dieses Himmelreich auf Erden aussehen soll, von dem dieser Müntzer immer spricht. Auf der anderen Seite … eine so weite Reise, nur um einem beim Reden zuzuhören? Stefan, was sagst denn du dazu?« fragte Jerg.
Der Angesprochene zuckte mit dem Schultern. »Ich weiß nicht so recht … ‘s ist so viel Arbeit auf dem Hof. Wer soll die tun, wenn nicht ich selbst? Ich habe schließlich keinen Bruder, der meinen Teil übernimmt, wenn ich auf die große Reise gehe!«
»Glaubst du, mir ist wohl dabei, Cornelius mit der ganzen Arbeit sitzenzulassen? Aber man muß sich schließlich entscheiden, was wichtiger ist: Die Arbeit auf dem Felde oder die Möglichkeit, etwas für uns alle zu tun!«
Zwei Tage später brachen Jerg und Dettler auf. Es war ein warmer, frühsommerlicher Tag, an dem sie beherzt ihr Bündel über die Schulter warfen und Richtung Süden losmarschierten. Zuvor hatten sie sich beraten, ob sie Weiland mitnehmen sollten, doch Dettler hatte sich dagegen ausgesprochen. »Willst du den Pfaffen etwa mitnehmen, wenn wir in die Schankstuben gehen? Mich gelüstet es außerdem nach einem Weib oder gar zweien. Soll mir der Pfaff’ da über die Schulter gucken?«
Obwohl Jerg den Pfarrer sehr mochte, wollte er wegen ihm keinen Streit mit Dettler vom Zaun brechen. Von Streitereien hatte er die Nase voll! Jerg zwang sich, nicht an die bösenBeschimpfungen zu denken, die seinem Aufbruch vorangegangen waren. Statt fadenscheinige Entschuldigungen vorzuschieben, hatte er diesmal seinem Bruder ganz offen gesagt, was er und Dettler vorhatten. Doch Cornelius hatte wie eh und je reagiert, ihn als Aufrührer beschimpft, der nicht dazulernen wollte. Dann war er wütend aus dem Haus gestürmt und nicht mehr aufgetaucht, bis
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