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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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wanderten suchend durch die Menge, bis sie Dettler gewahr wurden. Mit eigentümlichem Nachdruck, gerade so, als würde er nur noch für Dettler sprechen, fuhr der Redner dann fort. Kein noch so verstecktes Lächeln, kein Grinsen erhellte dabei seine Miene.
    »Wie das Himmelreich auf Erden aussieht, willst du wissen? Das ist eine gute Frage. Die Antwort lautet: In diesem Himmelreich werden wir alle nur noch einem Gott dienen. Dem Gott der Gerechtigkeit, dem allmächtigen Vater im Himmel. Den wuchersüchtigen, zinseinfordernden Pfaffen jedoch, welche die toten Wörter der Schrift verschlingen – denen muß der Kampf angesagt werden! Die Blüte der Gerechtigkeit Gottes muß in ihrer Schönheit erblühen, auf daß auch der ärmste Tropf sich an ihrem Duft ergötzen kann. Doch wird diese Blüte erst dann erstrahlen, wenn der faule Gestank der Teufels Pfaffen, die von dem verknöcherten Papst und Nachttopf zu Rom angeführt werden, verschwunden ist. Dafür müssen wir kämpfen!«
    Jerg beobachtete Dettlers Mienenspiel ganz genau. Dieser schien nun Blut geleckt zu haben und weit davon entfernt zu sein, sich mit Müntzers Ausführungen zufrieden zu geben, mochten sie auch noch so blumig sein. Mit Worten zaubern – das konnte Dettler auch! Breitbeinig baute er sich auf, stemmte beide Arme in die Seite und fragte listig:
    »Und wie, bitte, sollte dieser ›Kampf‹ aussehen? Sollen wir vielleicht nach Rom marschieren und den Nachttopf aus dem Fenster werfen?«
    Einige der Zuhörer begannen bei dieser Vorstellung laut zu lachen.
    Doch Dettler sollte sich täuschen, wenn er gedacht hatte, daß Müntzer nun kneifen würde.
    »Nach Rom braucht ihr nicht marschieren, ihr braven Leut’. Der Aufruhr muß hier, in der Heimat beginnen. Rottet euch zusammen! Geht zu eurem Lehnsherren! Redet mit ihm und tragt ihm eure Sorgen vor! Oder sucht euch einen Schreiber und laßt eure Nöte aufschreiben! Übergebt dieses Papier dann eurem Landesherren. Und gebt erst dann Ruhe, wenn sich die Dinge zum Besseren gewandt haben!«
    »Zusammenrotten, hahaha! Hast wohl noch nie was vom Armen Konrad gehört, was?«
    »Für uns werden sich die Dinge nie zum Besseren wenden!«
    »Wem sollen wir unsere Sorgen vortragen? Im Kerker würden wir landen.«
    »Euer Himmelreich ist wohl auf Luft gebaut, so wie alle anderen auch, ha?«
    Weggeblasen war die einfältige Glückseligkeit, die anfangs auf den Gesichtern der Menschen gestrahlt hatte. An ihre Stelle waren wieder Alltagsmienen getreten, die von Kummer und Krankheit, von Armut und Mühsal erzählten. Laute Buhrufe erhoben sich aus der Menge. Eine solche Rede – die wollte niemand hören! Statt seine Zuhörer mit freundlichen, nichtssagenden Worten einzubalsamieren, hatte Müntzer praktische Ratschläge erteilt. Statt von einem Engel zu verkünden, der das Himmelreich auf Erden bereiten würde, stellte Müntzer Forderungen. Den Menschen war anzusehen: So hatten sie sich das Himmelreich nicht vorgestellt! Doch Müntzer blieb unerbittlich:
    »Es liegt an jedem Menschen selbst, vor wem er auf die Knie fällt. Die Gunst, die ihr noch vor wenigen Tagen eurem neuen Erzherzog gezollt habt, sollte allein dem Vater im Himmel vorbehalten sein. Ich frage euch: Was ist schon ein Herzog neben Gott, dem Allmächtigen?«

4.
    Es war beinahe zwei Jahre später, als die gleiche Frage erneut an Jerg und Dettler gerichtet wurde.
    »Ich frage euch: Was ist schon ein Herzog oder ein Kardinal neben Gott, dem Allmächtigen?« Doch diesmal kam sie von Pfarrer Weiland, der aufgebracht von dem bevorstehenden Besuch Erzherzog Ferdinands auf Burg Taben berichtete. Was ihn dabei so erzürnte, war nicht die Person des Erzherzogs, sondern die eines anderen Kirchenmannes.
    »Kardinal Lorenzo Campeggi«, fuhr er in höchster Erregung fort, »ist einer der engsten Vertrauten des römischen Papstes. Wißt ihr, was es zu bedeuten hat, wenn sich Ferdinand hier mit diesem Campeggi trifft?«
    Jerg, Dettler und Stefan, die sich in Stefans Hütte versammelt hatten, verneinten.
    »Nun, ich werde es euch sagen: Campeggi ist der Begründer des Regensburger Fürstenbundes, das bedeutet, er ist ein mächtiger Mann, der starke Verbündete hat. Man nennt ihn außerdem den Anführer der Gegenreformation. Er verfolgt alles und jeden, der es wagt, am Glanz und an der Macht der römischen Kirche auch nur zu kratzen. Luther würde er lieber heute als morgen tot sehen. Seine Ziele verfolgt er gnadenlos, wobei er sich nicht zu schade ist, hier und da ein

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