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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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nur noch nach ihm werfen müssen, aber er hielt sich vor mir verborgen.«
    »Nun, herzaubern kannst du ihn ja wohl nicht, oder?« Unwillkürlich hatte meine Stimme einen etwas barschenTon angenommen, wie immer, wenn von Dingen die Rede war, die ich nicht verstehen konnte und die mich ängstigten. Ich zwang mich zu etwas sanfteren Worten: »Und überhaupt, vielleicht hast du ja auch unrecht, und der Uhu hat nur geschrien, weil er sein Weibchen vermißt.« Doch inzwischen war auch mir unwohl zumute. So hatte ich Asa noch nicht erlebt, in meinen Augen war sie ein Mensch, der immer und in jeder Lage wußte, was zu tun war. Daß auch sie einmal Angst haben könnte, war mir bislang nicht in den Sinn gekommen.
    Asa war durch nichts von ihrer bösen Vorahnung abzubringen. Immer wieder murmelte sie vor sich hin: »Den Todesruf darf man nicht überhören. Wenn man den Todesruf hört, muß man auf der Hut sein, doch ein Entrinnen gibt es nicht …«
    Wir waren noch nicht am Dorfrand angekommen, als ich von einem Augenblick auf den anderen wußte, daß Asas Vorahnung zur grausamen Wirklichkeit werden würde. Vielleicht war es die unnatürliche Stille, die in den Gassen lag. Überall standen Türen und Fenster offen, doch nirgendwo war auch nur eine Menschenseele zu sehen. Unwillkürlich begann ich zu flüstern: »Wo sind die nur alle? Es ist doch nirgendwo eine Fron angesagt, oder? Und von einer Beerdigung wüßt’ ich auch nichts.« Asa war genauso ratlos, was jedoch nicht weiter verwunderte, denn wir waren oft die letzten im Dorf, die von einer Neuigkeit erfuhren. Seit Lenes gescheiterter Verleumdung wurde ich zwar überall im Dorf wieder mit einem freundlichen Gruß oder Kopfnicken begrüßt, doch mehr hatten die anderen Frauen und ich kaum miteinander zu tun.
    »Hörst du dieses seltsame Geräusch?« fragte Asa plötzlich. Zuerst wollte ich verneinen, doch als wir um die nächste Ecke gegangen waren, konnten sich auch meine Ohren nicht weiter versperren. Vom Dorfplatz drang ein stetiges Brummen zu uns herüber, das sich wie das aufgeregte Summen einesBienenstockes anhörte, der bei seiner Arbeit gestört worden war. Unsere Schritte wurden immer schneller. Kein Wunder, daß die Gassen wie ausgestorben waren: Auf dem staubigen Dorfplatz drängte sich ein verschwitzter Leib an den nächsten, ganz Taben schien hier zu sein!
    In der Mitte des Platzes waren die Zigeuner, deren bunte Wagen ich vorher noch bestaunt hatte, wie Vieh zusammengetrieben worden. Kinder, Frauen, alte und junge Männer standen eng aneinander gedrängt, während sich die Tabener einen Spaß daraus machten, die hilflosen Gestalten zu beschimpfen. »Elendiges Pack! Aufhängen sollt’ man euch! Alle miteinander! Diebe, pfui!« brüllte auf einmal jemand los. »Was heißt hier aufhängen? Das ist für solche Lumpen noch viel zu gut! Die Hände und Füße abhacken und in die Grube werfen – das wär’ das richtige!« »Sterben sollen die Diebe, jawohl!« Die Gesichter der Menschen waren so haßerfüllt, daß ich zutiefst erschrak. Schutzsuchend hakte ich mich bei Asa ein. »Was mögen die Zigeuner wohl angestellt haben, daß die Tabener so böse sind?« flüsterte ich ihr ins Ohr.
    »Schau doch mal, wer da vorne steht! Und dann stell diese Frage noch einmal!« kam es aus zusammengekniffenen Lippen zurück. Erst jetzt sah ich, daß auf der anderen Seite des Platzes unter der großen Kastanie eine Art Bank aufgestellt worden war, auf der kein anderer als der Burgverwalter persönlich saß. An seiner rechten Seite hockte Karl Scheuffele, der Dorfbüttel, links von ihm standen Soldaten. Auf seinen Wink hin lösten sich nun zwei Männer aus deren Reihe und traten auf die Zigeuner zu. Grob packten sie einen kräftigen Burschen und zogen ihn vor die Bank.
    »Ich frage dich jetzt zum letzten Mal, Bursche: Wer von euch hat die Ziegen gestohlen?« Josts Augen glühten fiebrig. Dennoch begann ich unter seinem Blick zu frösteln. Der Zigeuner hatte sich mittlerweile mit einem trotzigen Ruck von den Soldaten freigemacht und stand breitbeinig vor seinem Ankläger, während die Soldaten jede seinerBewegungen belauerten, immer bereit, im nächsten Moment mit der Lanze zuzustechen. Sein dichtes, schwarzes Haar trug der Mann zu einem Zopf gebunden, der ihm lang und schwer den Rücken hinunterhing. Auf seinen Handrücken waren eigentümliche, dunkle Bilder zu erkennen, die aus runden Kreisen und einer Schlange zu bestehen schienen. Obwohl mir der fremde Geselle unheimlich war,

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